Die Vereinten Nationen und der Menschenrechtsschutz in der DDR
Bis zum Zweiten Weltkrieg waren Menschenrechte und der Schutz der Menschenrechte fast ausschliesslich eine Angelegenheit der nationalen Verfassungen, nur wenige Fragen wurden auf internationaler Ebene geregelt. In Auseinandersetzung mit den unzähligen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg, der Shoa, der systematischen Vernichtung von Jüd:innen und Juden, der Ausgrenzung und rassistischen Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma und von weiteren, als "asozial" abgestempelten Menschen und sozialen Gruppen wurden weltweit in verschiedenen Netzwerken und Gremien darüber debattiert, wie in Zukunft menschengemachte Katastrophen globalen Ausmaßes verhindert werden können. Angesichts der über 75 Millionen Toten - dies entspricht etwa 3,5 Prozent der Weltbevölkerung von 1940 -, davon bis zu 5,8 Millionen ermordeten Juden und Jüd:innen - dies entspricht rund 58 Prozent der vor dem Krieg in Europa lebenden Jüd:innen und Juden (Monn 2020, auf Basis der Daten von Lopez et al. 2019) - hat sich die 1945 gegründete Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen mit der AEMR eine neue Basis für den Menschenrechtsschutz erarbeitet.
"Bereits während des Krieges erklärten die gegen Deutschland und seine Verbündeten kämpfenden Alliierten, Bedingungen schaffen zu wollen, damit alle Menschen in Frieden und frei von Furcht und Mangel leben könnten. Deshalb enthält die Charta der 1945 gegründeten Vereinten Nationen den klaren Auftrag an die Staatengemeinschaft, die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundrechte für jedermann zu fördern" (humanrights.ch 2015).
Nach einem zweijährigen Diskussions- und Aushandlungsprozess stimmten 48 Staaten für die Erklärung, 8 enthielten sich der Stimme. Die im Dezember 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) ist das bekannteste Menschenrechtsdokument, das den Grundstein für den internationalen Menschenrechtsschutz legte. Es ist kein juristisch verbindliches Dokument, doch hat die AEMR seit ihrer Deklaration politisch und moralisch weltweit ein sehr grosses Gewicht entfaltet: Sie war ein wichtiger inhaltlicher Bezugspunkt für die Ausarbeitung der verbindlichen UNO-Menschenrechtskonventionen seit den 1950er Jahren, die die nationalstaatlichen Rechtssprechungen beeinflussten.
1948 4. Vorangegangen war ein zweijähriger Diskussionsprozess in der gerade erst gegründeten UNO-Menschenrechtskommission, in der die Vertreter/innen von 18 Staaten unter dem Vorsitz der US-Amerikanerin Eleanor Roosevelt tagten. In den Entstehungsprozess flossen zum einen die westliche Tradition von Menschenrechtserklärungen und Grundrechtskatalogen ein, zum andern aber auch neue Akzentsetzungen vor allem im Bereich der Sozialrechte.
Die DDR hat erstmals am 28. Februar 1966 den Antrag gestellt, sie und die Bundesrepublik Deutschland in die Vereinten Nationen (UNO) aufzunehmen. Nachdem der Weltsicherheitsrat am 22. Juni 1973 einmütig der UNO-Vollversammlung die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in die Vereinten Nationen empfohlen hatte, wurden beide Staaten am 18. September 1973 durch Akklamation als 134. und 135. Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen - ein Vorgang, der in der DDR als ›historisches Ereignis‹ gefeiert worden ist.
Zitate aus einem Zeitzeug:innen-Interview mit Person B (2023)
„Wenn man die Menschenrechtsnorm der UN-Charta nimmt […] erfüllt das den Tatbestand der Folter. Das wurde da umgesetzt.“ (min. 12:27-12:40)
„In einem anderen Schreiben heißt es in behäbigem Stasi-Deutsch: Die Untersuchungshaft sei für die zentrale Erfüllung von Aufgaben, des Untersuchungshaft- und Strafvollzuges im Mfs vorgesehen. Daraus ergebe sich eine Doppelfunktion für den Bezirk und für die DDR insgesamt.“ (min. 17:51-18:08)
„Auch wenn man schon in der ersten Woche Bescheid wusste, was der Vorwurf ist, und ein vollständiges Geständnis vorlag, hat man ihn trotzdem drei Monate weiter verhört, drangsaliert und so weiter. Immer in der Hoffnung noch mehrere Informationen zu bekommen.“ (min. 19:23-19:38)
„Eindeutig ist, der ehemalige Gefängniskomplex verfügt über eine Besonderheit als Plattenbau, Besonderheit als Musterbau für in der DDR zukünftig geplante Gefängnisbauten, hat also ein Alleinstellungsmerkmal. Also man muss davon ausgehen, dass dieser Plattenbau, der entwickelt wurde, dass der dann auch das Muster abgegeben hätte für zukünftige Untersuchungsgefängnisse der DDR.“ (min. 15:14-25:40)
„Wenn man eine Diskussion führen will und Demokratie besteht ja aus Diskussion […] dann kann man nicht Vorfakten schaffen. Man muss diese Diskussion zulassen, den Raum für Diskussion zulassen und darf nicht Ergebnisse vorwegnehmen.“ (min. 26:26-26:43)