Industrialisierung der Landwirtschaft

Nachdem die bäuerlich-handwerkliche Wirtschaft zunächst in der Lage war, die im Zuge der Industrialisierung entwickelten technischen Innovationen zu nutzen und weiterhin zu bestehen, kam es in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg zu einem Strukturbruch (Lutz 1986: 119). In wenigen Jahren wurden Arbeitsprozesse modernisiert und Tierbestände vergrößert, viele Arbeitskräfte wanderten ab und Bauernhöfe wurden aufgelöst. Neuerungen im Bereich Maschinentechnik führten ab den 1950er und 1960er Jahren zu einer Erhöhung der Flächenleistung beim Pflügen, Mähen und bei der Aussaat. Die Arbeit wurde vereinfacht und Handarbeit verlor zügig an Bedeutung. Zugtiere wurden abgeschafft. Abwandernde Arbeitskräfte und steigende Löhne verstärkten den Mechanisierungsprozess zusätzlich. Viele der kleineren Höfe waren nicht mehr in der Lage die Kosten der fortschreitenden Entwicklung zu tragen und mussten aufgeben (Poppinga 2009).

Die neue Technik veränderte in Kombination mit neuen chemischen Hilfsmitteln wie Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln die bisherigen Systeme des Ackerbaus und der Grünlandwirtschaft grundlegend. Die günstigen und staatlich subventionierten Düngemittel ersetzten den Anbau von Leguminosen zur Bodenverbesserung. Fruchtfolgesysteme wurden aufgelöst und daraus resultierende ackerbauliche Probleme mit dem Einsatz chemischer Mittel bekämpft. Viele Betriebe schafften die Viehhaltung ab und entwickelten sich zu spezialisierten Pflanzenbaubetrieben. Andere wiederrum konzentrierten die Viehhaltung, die durch die Möglichkeit des Erwerbs von Importfuttermitteln nicht mehr an die eigene Erzeugung von Futtermitteln gebunden war. Das Ertragsniveau stieg kontinuierlich. Eine solche Entwicklung ging mit zahlreichen Auswirkungen auf die Natur und Umwelt einher.

Auch im Projektraum zwischen Lieps und Havelquelle ging die Landwirtschaft in einem Zeitraum von weniger als 40 Jahren den Schritt von Guts- und bäuerlichen Betrieben, die noch in hohem Maße mit menschlicher Handarbeit und tierischer Arbeitskraft bewirtschaftet wurden, hin zu industrialisierten Wirtschaftsunternehmen. In den folgenden Beiträgen werden verschiedene Merkmale der Industrialisierung behandelt, die auch im Bezug zur Projektregion betrachtet werden:


Quellen

Teaserbox 1: Institut für Welternährung e.V. Streitschrift zur Zukunft unserer Ernährung: „Landwirtschaft am Scheideweg“. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 24.02.2022.

Teaserbox 2: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Agrarflugzeug. Link zum Bild. Letzter Zugiff: 02.03.2022.

Teaserbox 3: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Döblitz, Getreideernte mit Mähdrescher. Bundesarchiv Bild 183-20189-0001. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 28.03.2022.

Lutz, B.: Die Bauern und die Industrialisierung. Ein Beitrag zur Erklärung von Diskontinuität der Entwicklung in industriell-kapitalistische Gesellschaften, in "Soziale Welt, Sonderband 4, Göttingen 1986.

Poppinga, O. 2009: Industrialisierung der Landwirtschaft. "Ersatz von Arbeit durch Kapital". Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 24.01.2022.