Die Geschichte der Chemisierung in der Landwirtschaft
Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war in Deutschland die Dreifelderwirtschaft weit verbreitet, die mit zunehmender Intensivierung der Landwirtschaft von den Feldern verschwand. Agrarreformen führten durch die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Ordnung von Eigentumsverhältnissen zu einer Flurbereinigung. Ehemals gemeinschaftlich bewirtschaftete Flächen wurden nun Besitzern zugeordnet, die ihre Flächen durch Austausch und Zusammenlegung vergrößerten. Dies hatte Vorteile für die Bewirtschaftung, führte jedoch oftmals zum Verschwinden kleinteiliger Landschaftsstrukturen (Zirnstein 1996: 128). Die Nutzflächen wurden stetig erweitert und auch ungeeignete Flächen in Ackerland umgewandelt. Die Bodenbearbeitung und Bewirtschaftung der größeren Flächen wurden im Zuge der fortschreitenden Mechanisierung stetig einfacher. Immer häufiger wurden großflächig Monokulturen angebaut, die eine künstliche Zufuhr von Nährstoffen für die Pflanzen erforderten (Kohsiek 2002).
Organische und mineralische Düngung
Schon 1840 stellte der deutsche Chemiker Justus von Liebig die Wichtigkeit von mineralischen Salzen für die Pflanzenernährung heraus, die im Boden nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen (Zirnstein 1996: 129). Er entwickelte bis 1849 einen wasserlöslichen Phosphatdünger, als Superphosphat bekannt, der auch heute noch weltweit am häufigsten eingesetzt wird. 1862 folgte die Entwicklung und der Einsatz von Kalisalzen und Stickstoffverbindungen. Der Einsatz des Düngers führte bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer gewaltigen Verbesserung der Nahrungsversorgung. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde jedoch weiterhin hauptsächlich mit Stallmist, Jauche und Gründünger gedüngt. Nach der Einführung des Haber-Bosch-Verfahrens zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das die Synthese von Ammoniak zur Düngemittelherstellung in großem Stil ermöglichte, nahm die Verfügbarkeit und Anwendung von Düngemitteln enorm zu und die Erträge der landwirtschaftlich genutzten Flächen wurden um ein Vielfaches gesteigert (Albrecht-Thaer- Gesellschaft 1964).
Pflanzenschutzmaßnahmen
Zu ersten Maßnahmen im Bereich Pflanzenschutz zählten mechanische Methoden wie das Absammeln von Schadorganismen, die Anwendung einfacher Fangmethoden oder das Jäten von Unkräutern. Solche Maßnahmen waren aufgrund hoher Lohnkosten und einem Mangel an Arbeitskräften immer schlechter realisierbar. Zusätzlich führte die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft zu einem Verlust von natürlichen Regulierungsmaßnahmen, die eine systematische Bekämpfung von Schädlingen, Pflanzenkrankheiten und Unkräutern notwendig machte (Heddergott 1977: 13).
Übertragen ist, dass bereits im 19. Jahrhundert Kupfer-, Arsen und Schwefelverbindungen zum Pflanzenschutz eingesetzt wurden. Während des Zweiten Weltkrieges wurde besonders in der Schweiz, in England, den USA und Deutschland im Bereich chemische Pflanzenschutzmittel geforscht. Der Durchbruch folgte allerdings erst in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre mit der Entdeckung der insektiziden Wirkung von DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) und der Entwicklung anderer chlorierter Kohlenwasserstoffe. Die so erzielten Erfolge bei der Bekämpfung von Krankheitsüberträgern und Schädlingen führten zu einer intensivierten Forschung und der weiteren Synthetisierung von Verbindungen (Heddergott 1977: 13). Die Darstellung der Mittel nach außen und die stetige Förderung und Entwicklung neuer Präparate erfolgte jedoch meist ohne Hinweise auf potenzielle ökologische Risiken, die so bis in die 1980er Jahre kaum thematisiert wurden (Büschenfeld 2000).
Die Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Ernährungssicherung der Bevölkerung oberstes Ziel der Nahrungsmittelproduktion. Durch eine zunehmende Intensivierung der Produktion erreichte der Einsatz von Maschinen, Düngemitteln und Pestiziden einen Höhepunkt. Günstigere Erdölpreise in den 1950er und 1960er Jahren ermöglichten eine schnellere Finanzierung der benötigten Anlagen (z. B. Haber-Bosch) für die künstliche Düngemittelherstellung, aber auch die Nutzung von Erdöl als Rohstoff in der chemischen Industrie (Kohsiek 2002). Der Einsatz von chemischen Düngemitteln in der BRD und der DDR stieg dementsprechend zwischen 1950 und 1980 deutlich an. Für die einzelnen Stoffe verdoppelte bis vervierfachte sich die eingesetzte Menge (SRU 1985, Kundler et al. 1970). Gleichzeitig entwickelten sich Alternativen wie die biologisch-dynamische Landwirtschaft, deren Methoden durch fehlende wissenschaftliche Belege jedoch oft angezweifelt wurden (Kirchmann 1994).
Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gerieten die chemischen Mittel zunehmend in die Kritik, da sie immer häufiger ökologische Schäden verursachten und seit 1989 ist ein Rückgang des Düngereinsatzes zu beobachten (Knittel et al. 2012: 247, 261). Dieser ist u. a. auch auf einen Abbau der Tierbestände in den Ostdeutschland zurückzuführen. Vor allem der Verbrauch an Stickstoffdünger muss aus ökologischen Überlegungen weiter reduziert werden, da er Grundwasser und Luft belastet und so für Gesundheitsprobleme und einen Rückgang der Biodiversität verantwortlich ist. Ein Problem, das bisher noch nicht gelöst wurde (UBA 2020).
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Quellen
Abbildung 1: Trautschold, W. 1912: Illustration. In: Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens, Band 3, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co., Berlin.
Abbildung 2: Bundesarchiv (Hrsg.). Kartoffelkäferbekämpfung mit DDT von 1953. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 08.03.2022.
Abbildung 3: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Geschichte des Düngers. Link zur Abbildung. Letzter Zugriff: 08.03.2022.
Büschenfeld, J. 2000: Chemie in der Landwirtschaft. Zur Umweltgeschichte der Pestizid-Anwendung in Deutschland seit 1945. In: Forschung an der Universität Bielefeld, 22.
Albrecht-Thaer- Gesellschaft (Hrsg.) 1964: Die Landwirtschaft Niedersachsens, 1914-1964, Hannover.
Heddergott, H. 1977: Hundert Jahre Pflanzenschutz. In: Chemie + Fortschritt, VCI Schriftenreihe, Hundert Jahre Agrar-Chemie, hrsg. vom Verband der Chemischen Industrie e.V., Berlin: 11-19.
Kirchmann, H. 1994: Biological dynamic farming-an occult form of alternative agriculture? In: J. Agric. Environ. Ethics. 7, 1994: 173–187.
Knittel, H., Albert, E. & Ebertseder T. 2012: Praxishandbuch Dünger und Düngung. AgriMedia Verlag. Clenze.
Kohsiek, S. 2002: Die "Chemisierung" der Landwirtschaft, München, GRIN Verlag. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff.
Kundler, P., Ansorge, H., Matzel W. u. a. 1970: Mineraldüngung. Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin.
[SRU] Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.) 1985: Sondergutachten „Umweltprobleme der Landwirtschaft“. Bonn Bad Godesberg.
Zirnstein, G. 1996: Ökologie und Umwelt in der Geschichte, Marburg.