Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft

Abb. 1 Wandel der Beschäftigtenzahlen und Betriebsstrukturen in den letzten 70 Jahren.
Abb. 2 Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten an der Gesamtzahl der Beschäftigten in der DDR und im Bezirk Neubrandenburg.

Um 1900 war noch etwa jeder dritte Beschäftigte in Deutschland in der Landwirtschaft tätig (DBV 2020: 16). Technische und agrarwissenschaftliche Entwicklungen sowie Produktivitätsfortschritte führten im Laufe des 20. Jhd. zu einem kontinuierlichen Rückgang der Beschäftigtenzahlen (Martens, B. 2020). Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Anteil auf etwa 25 % gesunken (Neu 2005: 144). Im Zuge der fortschreitenden betrieblichen Konzentration ab den 1950er Jahren und umfassenden Mechanisierungsprozessen gingen die Zahlen weiter zurück. Laut Manfred Köhne steht die Verringerung des Arbeitskräftebesatzes in einem direkten Verhältnis zur Entwicklung der Verwendung von Maschinen (Köhne 2008: 150 ff.). Aber auch durch den Einsatz von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln kam es zu Produktivitätssteigerungen, die mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen einhergehen. Vergleicht man beispielsweise den durchschnittlichen Hektarertrag für Weizen der vergangenen Jahre mit dem von 1900, lässt sich eine Ertragssteigerung um mehr als das Vierfache feststellen (von 18,5 dt auf 76,9 dt; DBV 2020: 16). Auch interessant: Konnte ein Landwirt um 1900 noch etwa vier Personen ernähren waren es 1949 schon über 10 und im Jahr 1990 bereits 69 Menschen (DBV 2020: 16 ff.). Im Jahr 2018/19 lag die Zahl bei 137 Menschen (BLE 2021). Dementsprechend ging auch die Zahl der Betriebe zurück (DBV 2020: 16).

In der DDR ging die Zahl der Berufstätigen in der Land- und Forstwirtschaft von über 2 Mio. Menschen im Jahr 1950 bis 1989 um mehr als die Hälfte zurück (SZS 1990: 19). Im stark landwirtschaftlich geprägten Bezirk Neubrandenburg lag der Anteil der Beschäftigten im primären Sektor im Jahr 1955 noch bei 55% (SZS 1990: 87) und damit mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der DDR (SZS 1975: 53). In nur 15 Jahren, zwischen 1965 und 1980, fiel dort die Zahl der Beschäftigten um über 20 % von 83.950 (SZS 1966: 261) auf 66.935 (SZS 1981: 168). So wies der Bezirk Neubrandenburg in den 1980er Jahren den geringsten Besatz an Arbeitskräften pro Hektar auf (10,1 für Ende der 1970er Jahre, Heinz 2011: 336). Diese Entwicklung führte zeitweise dazu, dass Arbeitskräfte fehlten, die auch durch Einsparungen im Zuge des zunehmenden Maschineneinsatzes nicht kompensiert werden konnten (Heinz 2011: 335 f.). So wurden zunehmend Schüler, Studierende oder NVA-Angehörige für Tätigkeiten in der Landwirtschaft eingesetzt. Ende der 1970er Jahre lag der Bedarf für die Ernte in der DDR bei 1,5 Mio. zusätzlichen Arbeitskräften (ebd.: 361). Auffällig war jedoch der Zuwachs der Beschäftigten in der DDR-Landwirtschaft mit abgeschlossener Berufsausbildung. Besaßen 1960 gerade einmal 3,5 % der LPG-Mitglieder einen solchen Abschluss, waren es 15 Jahre später bereits 75 % und 1989 sogar 93,5 %.

Ende der 1980er Jahre war die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft in der DDR im Vergleich zur alten Bundesrepublik aufgrund der politisch-ökonomischen Strukturen und des hohen Anteils an ländlichem Raum noch relativ groß. Auch der Arbeitskräftebesatz pro Fläche war in der DDR höher (Köhne 2008: 137). Der Rückgang der Beschäftigtenzahlen vollzog sich dementsprechend langsamer. So arbeiteten Ende 1989 noch fast 11 % der Berufstätigen in der DDR im Bereich Landwirtschaft (Statistisches Jahrbuch der DDR 1990: 90). Im Bezirk Neubrandenburg lag der Anteil mit 26,8 % der Berufstätigen im Bereich Land- und Forstwirtschaft weiterhin deutlich höher (Braun & Obenaus 1992: 85). In den alten Bundesländern waren es 1988 dagegen nur noch etwa 4,2 % (Statistisches Jahrbuch 1990: 90). Anzumerken an dieser Stelle ist aber, dass in der DDR auch Arbeitsbereiche dem landwirtschaftlichen Sektor zugeordnet wurden, die nicht unmittelbar mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden, sondern lediglich an-, vor- oder nachgelagert waren. So auch Beschäftigte, die mit dem Bau der Produktionsanlagen beschäftigt und damit gleichermaßen im Bausektor tätig waren (Heinz 2011: 333).

Abb. 3 Erwerbstätige im primären Sektor im Jahr 2019.

Die Soziologin Claudia Neu überträgt dem Strukturwandel in den neuen Bundesländern nach 1989 eine zentrale Rolle beim Abbau der Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft: „Mit der Wiedervereinigung wurde der Strukturwandel [in Ostdeutschland], für den Westdeutschland mehrere Jahrzehnte Zeit hatte, auf wenige Jahre komprimiert“ (Neu 2005: 145). Entsprechend stark fiel die Zahl von 880.000 Beschäftigten im Jahr 1989 auf 161.000 im Jahr 2001 (Statistisches Bundesamt 2003 in Neu 2005: 145), was einem Rückgang von 81,7 % entspricht. Betrachtet man Gesamtdeutschland fiel der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft bis 2001 auf 2,5 % (Neu 2005: 144). 2019 waren es nur noch 1,3 % (DBV 2020: 7). Einen großen Anteil an diesem Rückgang hatten in der Landwirtschaft tätige Familienarbeitskräfte (DBV 2017: 91). Da der Anteil der Familienarbeitskräfte im Jahr 2016 mit 48 % der insgesamt in der Landwirtschaft Tätigen immer noch vergleichsweise hoch war, wird sich der Trend vermutlich fortsetzen (Statistisches Bundesamt in DBV 2017: 91). Regionale Unterschiede lassen sich weiterhin feststellen. Während der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft im Norden Deutschlands sowie in den neuen Bundesländern im Jahr 2019 meist bei über 2,5 % lag, waren es in vielen Teilen West- und Südwestdeutschlands dagegen unter 0,85 % (Thünen-Institut 2022).

Weiter mit den Veränderungen der Betriebsstrukturen in der Projektregion oder zurück zur Übersicht


Quellen

Abbildung 1: [DBV] Deutscher Bauernverband (Hrsg.) 2017: Wandel auf dem Lande. Situationsbericht 2021/22. Link zur Grafik. Letzter Zugriff: 28.02.2022.

Abbildung 2: Pantzier, R. 2021: Eigene Darstellung unter Nutzung der unten aufgeführten Quellen.

Abbildung 3: Thünen-Institut für Ländliche Räume (Hrsg.) 2022: Landatlas. Anzahl der Erwerbstätigen im primären Sektor. Link zum Beitrag. Braunschweig.

Braun, A. & Obenaus, H. (Hrsg.) 1992: Landesreport Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und München.

[DBV] Deutscher Bauernverband (Hrsg.) 2017: Situationsbericht 2017/18. Trends und Fakten zur Landwirtschaft. Berlin.

[DBV] Deutscher Bauernverband (Hrsg.) 2020: Situationsbericht 2020/21. Trends und Fakten zur Landwirtschaft. Berlin.

Heinz, M. 2011: Von Mähdreschern und Musterdörfern. Industrialisierung der DDR Landwirtschaft und die Wandlung des ländlichen Lebens am Beispiel der Nordbezirke. Berlin: Metropol Verlag

Köhne, M. 2008: Die große Zeit des Wandels. Entwicklung der Organisationsstrukturen in der Landwirtschaft und deren Umfeld. In: Brand-Saßen, H.; Golter, F.; Köhne, M.; Schnieders, R. (Hrsg.): Landwirtschaft im Umbruch. Agrarpolitik, Markt, Strukturen und Finanzierung seit den siebziger Jahren. Stuttgart: Eugen Ulmer KG: 129-77.

Martens, B. 2020: Landwirtschaft in Ostdeutschland: der späte Erfolg der DDR. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 01.02.2022.

Neu, C. 2005: Landwirtschaftliche Unternehmen. In: Beetz, S.; Brauer, K.; Neu, C. (Hrsg.): Handwörterbuch zur ländlichen Gesellschaft in Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

[SZS 1966; 1975; 1981] Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR (Hrsg.), 1966; 1975; 1981: Statistisches Jahrbuch der DDR. Berlin: Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik.

[SZS 1990] Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR (Hrsg.), 1990: Statistisches Jahrbuch ’90 der DDR. Berlin: Rudolf Haufe Verlag.

Thünen-Institut für Ländliche Räume (Hrsg.) 2022: Landatlas. Link zum Beitrag. Braunschweig.