Zweite Stufe der Industriellen Revolution

Abb. 1 Produktivitätssteigerung durch Mechanisierung. Akh: Arbeitskraftstunden je Hektar.
Abb. 2 Kaum noch genutzte Wirtschaftsgebäude am Ortsrand von Passentin (Mecklenburgische Seenplatte).
Tab. 1 Landwirtschaftliche Betriebe in Ostdeutschland nach Größenklassen und Flächen 2010.

Die zweite Stufe der Industriellen Revolution wurde mit der Verbreitung der neuen Energieträger auf Basis von Erdöl und Erdgas eingeleitet. Diese in Deutschland während der 1950er Jahre einsetzende Phase ging mit einem tiefgreifenden Strukturwandel einher, der u. a. durch eine umfassende Industrialisierung des Agrarsektors vorangetrieben wurde. Durch eine fortschreitende Mechanisierung (siehe Abb. 1) und Motorisierung wurde der Arbeitskräftebedarf drastisch reduziert. Immer häufiger kam es zu einer räumlichen Trennung von Arbeits- und Wohnort zum Beispiel durch eine Verlagerung von Bevölkerung und Arbeitsplätzen von den Städten in das suburbane Umland. Möglich war dies allerdings erst durch eine zunehmende Mobilisierung der Arbeitskräfte.

Das Erscheinungsbild des stark landwirtschaftlich geprägten Projektgebietes veränderte sich ab den 1950er Jahren durch die fortschreitende Kollektivierung, zu der sich hier ein detaillierter Beitrag findet. Ab den 1960er Jahren begann man im Rahmen der „sozialistischen Intensivierung“ mit der Zentralisierung von Arbeitsmitteln, Arbeitskräften und nichtmenschlichen Naturressourcen. Merkmale dieses Prozesses waren u. a. eine umfassende Mechanisierung und Chemisierung der Landwirtschaft, eine weitere Vergrößerung der Ackerschläge, die Anlage von Meliorationen und Bewässerungsanlagen und im Bereich Waldwirtschaft Kahlschläge und Aufforstungen mit nicht heimischen Baumarten. Auch die Ortsbilder veränderten sich durch die Bereitstellung von Investitionsmitteln für den Neubau von Wirtschaftsgebäuden an den Dorfrändern, wohingegen vorhandene Gebäude aus Gutszeiten verfielen (Behrens & Hoffmann 2019: 241).

Investitionen im Bereich Versorgungsinfrastruktur (z. B. Ausbildung, Kultur, Gesundheit) verbesserten die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum deutlich. Noch heute zeugen zahlreiche Gebäude aus den 1960/70er Jahren wie mehrgeschossige Wohnbauten, Konsumgebäude oder Baracken von den damaligen Lebens- und Arbeitsverhältnissen in der DDR. Ab den 1970er Jahren wurden die Siedlungen durch den aufkommenden Bau von Eigenheimen erweitert. Solche Investitionen wurden auch in der Gemeinde Klein Vielen der Projektregion getätigt. So war die soziale Versorgung durch Poststellen, Sparkasse, Bibliothek, Kino, Schule, Kindergarten, Konsumstellen, Gaststätten und neue mehrstöckige Wohnhäuser bemerkenswert (Behrens & Hoffmann 2019: 242)!

Verschwinden der Klasse der Bauern

Die Industrialisierung des Agrarsektors führte durch zentralstaatliche Vorgaben der DDR und Marktzwänge letztendlich zum Verschwinden der Klasse der Bauern, die zunehmend in Lohnarbeitsverhältnisse gedrängt wurden. Einige der vormals selbstständigen bäuerlichen Betriebe erhielten sich in der BRD als Neben- und Zuerwerbsbetriebe und in der DDR als kleine „Hauswirtschaften“. Mehr als 1,5 Millionen Betriebe mussten seit 1945 aufgeben. In Ostdeutschland dominierten die Großbetriebe, von denen die Betriebe mit über 1000 ha knapp 45 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschafteten (siehe Tabelle 1; Behrens & Hoffmann 2019: 244). Trotz der Forcierung von Intensivierung und Industrieproduktion setze sich die Zweite Stufe der Industriellen Revolution in Ostdeutschland erst nach 1990 endgültig durch. Das ließ sich auch in der Arbeitskraftstruktur ablesen: 1989 waren von den 615.767 Menschen im Bezirk Neubrandenburg etwa 48 % berufstätig. Ganze 26,8 % der Berufstätigen waren noch in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt (Braun & Obenaus 1992: 27 und 85). Der sichere Arbeitsplatz in der genossenschaftlich organisierten landwirtschaftlichen Produktion hemmte scheinbar die Produktivitätsentwicklung und Abwanderungstendenzen (Behrens & Hoffmann 2019: 243). 

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Quellen

Abbildung 1: Behrens, H. & Hoffmann, J. 2019: Zur Periodisierung des Landschaftswandels. In: Landschaft im Wandel. Erfassung – Bewertung – Wahrnehmung. Steffen Verlag: 241.

Abbildung 2: Privatarchiv Behrens, H. 2019.

Tabelle 1: Studienarchiv Umweltgeschichte der Hochschule Neubrandenburg. 

Behrens, H. & Hoffmann, J. 2019: Zur Periodisierung des Landschaftswandels. In: Landschaft im Wandel. Erfassung – Bewertung – Wahrnehmung. Steffen Verlag: 159-253.

Braun, A. & Obenaus, H. (Hrsg.) 1992: Landesreport Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und München.