Auswirkungen der Mechanisierung auf den Boden
Bis in die Anfänge des 20. Jhd. wurde die Bodenstruktur hauptsächlich durch die Art und den Aufbau des Bodens, den Grundwasserspiegel, das Bodenleben und die Humusqualität bestimmt. Die durch Pferde- oder Ochsengespanne gezogenen Pflüge beeinflussten diese Struktur nur wenig. Um 1800 drang ein Pflug höchstens 10-12 cm in die Oberfläche ein (Klemm 1968: 122). Die technischen Innovationen im Zuge der Mechanisierung und Motorisierung der Landwirtschaft schufen neue und vor allem intensivere Möglichkeiten der Bodenbearbeitung (Krombholz et al. 2009: 92). Der Einsatz von Schleppern ermöglichte es, den Pflug deutlich tiefer in den Boden eindringen zu lassen. So wurden Bearbeitungstiefen von bis zu 30 cm erreicht, was zuvor nur mit einem Dampfpflug oder bei besonders guten Bedingungen realisierbar war (Nussbaum 1929: 10 ff.). Die tiefere Bodenlockerung führte zu Mehrerträgen von 10-20 % (Niemann 2020: 281), brachte aber auch Probleme mit sich.
Das steigende Gewicht der Maschinen sowie immer häufigeres Befahren führte zu einer zunehmenden Verdichtung des Bodens (RSU 1985: 105 ff.). Sind nur obere Bodenschichten betroffen, können diese meist maschinell wieder aufgelockert werden. Für Verdichtungen die sich etwa 30-60 cm unter der Oberfläche befinden, ist eine Tiefenlockerung mittels Pflugs nötig. Allerdings entstehen diese häufig durch das Pflügen selbst, wenn zur falschen Zeit (z. B. bei Nässe) oder wiederholt in gleicher Tiefe gepflügt wird. Unter den regelmäßig gelockerten Schichten bildet sich dann ein stark verdichteter Horizont, eine sogenannte Pflugsohle (Gairing 2020). Diese undurchlässige „Platte“ schränkt das Eindringen von Wasser, Mineralstoffen und Pflanzenwurzeln in tiefere Bodenschichten ein und verringert die Wasserspeicherfähigkeit der Böden. Eine nasse Witterung führt so im ungünstigsten Fall zu Staunässe (Bednar 2022, Ellenberg 1996: 887). Landwirte hatten vor allem ab dem Ersten Weltkrieg und der zunehmenden Technikverfügbarkeit mit diesem Problem zu kämpfen (Uekötter 2011: 310 ff.). Zwar konnte eine Pflugsohle auch bei der Bewirtschaftung mit Tieren entstehen (Ehrenberg 1930: 45), Schlepper verursachten jedoch größere Schäden und verlagerten die Pflugsohle in tiefere Schichten (Roemer 1959).
Auch Versäumnisse und Fehler bei der Bodenbearbeitung wirkten sich negativ auf die Pflanzenentwicklung aus. Der Einsatz von Maschinen veränderte die Perspektive des Landwirts. So wurde der Arbeit mit dem Pflug in der Hand ein traditioneller und meditativer Wert zugeschrieben, wohingegen der Schlepperfahrer sich stetig auf die störungsanfällige Maschine konzentrieren musste. Auch reagierte ein Schlepper wesentlich träger auf die Variabilität der Bodenbedingungen als die Zugtiere (Vgl. Uekötter 2011: 309). Diese Entwicklung distanzierte Landwirt und Land zunehmend: „Der Pflüger, der hinter seinem Gespann in der Pflugfurche geht, bleibt in enger Verbindung zum Boden und kennt ihn bis in die letzten Einzelteile. […] Der Schlepperführer ist vom Boden abgelöst, Wirkung und Arbeitsweise der Geräte sind seiner Beobachtung entzogen.“ (Roemer 1959). Verstärkt wurde diese Entfremdung ab etwa 1950 durch die Bestrebung, die ursprünglich separaten Arbeitsschritte zur Vorbereitung des Bodens für die Aussaat in möglichst wenigen Arbeitsgängen durchzuführen (Koswig 1951: 5).
Oft war die Bearbeitung des Bodens mit dem Pflug allein nicht ausreichend, um ein günstiges Saatbett herzustellen. So wurden zunehmend Grubber und Fräsen zur Durchmischung der Bodenschichten eingesetzt (RSU 1985: 100). Die Fräse funktioniert nach dem Prinzip Maulwurfhaufen: „So wie der Maulwurf oder Kaninchen den Boden mit elastischen Krallen abkratzten und hinter sich werfen, so gedachte man mit elastischen Werkzeugen aus Federstahl, die an einer rotierenden Welle angebracht sind, den Boden zu bearbeiten.“ (Bornemann 1923: 32). Eine Bodenfräse pulverisiert die oberste Bodenschicht auf aggressive Weise (Uekötter 2011: 312 ff.). So lässt sich organisches Material in den Boden einarbeiten und die Sauerstoffverfügbarkeit verbessern. Ein zu häufiges Fräsen kann sich jedoch negativ auf Bodenstruktur und Bodenlebewesen auswirken (Hortipendium 2013).
Ab den 1970er Jahre wurden die intensiven Methoden vermehrt hinterfragt und kritisiert. Alternativ entwickelten sich ab Mitte der 1980er Jahre schonendere Formen der Bodenbearbeitung, die spezielle Wachstumsbedingungen von Pflanzen sowie den Erhalt und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit berücksichtigten (Krombholz et al. 2009: 101). Trotz einer zunehmenden Tendenz, wird der überwiegende Teil unserer landwirtschaftlichen Flächen jedoch weiterhin intensiv und mit schwerem Gerät bearbeitet. So stiegen die Radlasten von landwirtschaftlichen Fahrzeugen seit den 1960er Jahren stark an. Bei Mähdreschern hat sich diese in den letzten 60 Jahren mehr als verfünffacht. Einzelne Fahrzeuge haben heute Radlasten von über 10 t. Eine europaweite Studie ergab, dass die steigenden Radlasten die Porosität der Ackerböden verringern und gleichzeitig den mechanischen Widerstand für die Wurzeln erhöhen. Folgen sind ein eingeschränktes und verlangsamtes Wurzelwachstum, das für die seit den 1990er Jahren beobachtete Stagnation von Ernteerträgen in vielen europäischen Ländern verantwortlich gemacht wird. Die zunehmenden Bodenverdichtung steht im Zusammenhang mit der steigenden Anzahl und Intensität von Überschwemmungen. Weitere gesellschaftlichen Kosten dieser Entwicklung sind erhöhte Treibhausgasemissionen oder Beeinträchtigungen der Grundwasserqualität. Bleibt ein dringend notwendiger Paradigmenwechsel hin zu leichteren Feldmaschinen aus, dürfte auch das Risiko von Bodenverdichtungen und den damit verbundenen Schäden weiter zunehmen (Keller 2019).
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Quellen
Abbildung 1: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Randow - Mecklenburg, Pflügen mit dem Ochsen. Bundesarchiv Bild 183-H27221. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.03.2022.
Abbildung 2: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Pflugsohle. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.03.2022.
Abbildung 3: Dreyer, K. 2022: Joseph Fey. Hrsg. von Landtechnikhistorisch. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.03.2022.
Abbildung 4: Keller, T. 2019: Immer schwerere Maschinen setzen den Boden unter Druck. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 21.03.2022.
Abbildung 5: Krombholz, K. et al. 2009: 94.
Bednar (Hrsg.) 2022: Schaffung einer Pflugsohle. Nachteile der Bodenbearbeitung durch Pflügen. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 22.03.2022.
Bornemann 1923: Fortschritte in der Fräskultur In: Die Technick in der Landwirtschaft 5.
Ehrenberg, P. 1930: Die Bedeutung des Untergrundes für die Nährstoffversorgung der Kulturpflanzen, in: Mitteilung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
Ellenberg, H. 1996: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sich. Ulmer, Stuttgart: 887.
Gairing, S. 2020: Bodenverdichtung: Ursachen und Folgen für die Umwelt. Hrsg. von Utopia. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 22.03.2022.
Hortipendium - das grüne Lexikon (Hrsg.) 2013:Bodenprobleme im Freilandgemüsebau. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 22.03.2022.
Klemm, V. 1968: Pioniere der Landwirtschaftswissenschaften in Deutschland, Halle.
Koswig, M. 1951: Neue Wege der Bodenbearbeitung. In: Agrartechnik Band. 1, Januar 1961: 5-7.
Krombholz, K. et al. 2009: 100 Jahre Landtechnik. Von der Handarbeit zu Hightech in Deutschland, DLG-Verlag-GmbH: Frankfurt am Main.
Niemann, M. 2020: Beständiger Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000, Hirnstoff Verlag GmbH, Rostock.
Nussbaum, S. 1929: Kraftpflug-Führer. Deutsches Traktorbuch. Überreicht von der KraftpflugGruppe des Verbandes der Deutschen Landmaschinen-Industrie. Berlin.
Roemer, T. 1959: Lehrbuch des Ackerbaus. 5. Aufl. Berlin und Hamburg.
RSU - Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 1985: Umweltprobleme der Landwirtschaft. Sondergutachten März 1985, Verlag W. Kohlkammer GmbH Stuttgart und Mainz.
Uekötter, F. 2011: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG: Göttingen