Die Geschichte der Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft

In der Vergangenheit war es üblich, die für die landwirtschaftliche Arbeit benötigte Antriebsenergie selbständig durch menschliche und tierische Muskelkraft zu erzeugen. Für die zeitraubende Tätigkeit der Bodenbearbeitung stand im saisonalen Verlauf jedoch oft nur ein enges Zeitfenster zu Verfügung (Uekötter 2011: 307). Wer es im Frühjahr nicht schaffte, mittels Pflugs, Egge, Grubber und Walze ein bestmögliches Saatbeet zu erzeugen, musste mit Mindererträgen rechnen (Roemer 1959: 225). Dem­zufolge war die vor­in­dus­tri­ell ge­präg­te Land­wirt­schaft auf ei­ne gro­ße Zahl an Ar­beits­kräf­ten an­ge­wie­sen. Anfang des 20. Jhd. kam es zu einem rasanten Bevölkerungswachstum, das Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft dringend erforderlich machte (Janowitz o. J.). Neben dem zunehmenden Einsatz von Düngemitteln sollten Maschinen und technische Neuerungen Abhilfe schaffen. Maschinen erleichterten die Arbeit auf dem Feld und verbesserten die Wirtschaftlichkeit. So gelangen Produktivitätssteigerungen, die mittels der herkömmlichen Arbeitskraft unmöglich realisierbar gewesen wären (RSU 1985: 96). Der Wandel in Richtung maschinelle Zugkraft vollzog sich zunächst langsam, nahm in der Mitte des 20. Jhd. aber stark an Intensität zu (RSU 1985: 96).

Abb. 1 Eine dampfbetriebene Dreschmaschine aus dem 19. Jhd.
Abb. 2 Stock-Motortragpflug aus den 1910er Jahren.
Abb. 3 Der Mercedes-Benz Ackerschlepper mit Zapfwellenabtrieb kam 1928 auf den Markt. Dieses Modell war noch mit Greiferrädern ausgestattet.

Die Anfänge der Mechanisierung

Ein erster Schritt in der Geschichte der Mechanisierung war die zunehmende Nutzung von mechanisch be­trie­be­nen In­no­va­tio­nen wie Mähmaschine, Heu­wen­der, Stroh­pres­se und Kar­tof­fel­ro­der. So versuchte man sowohl der Landflucht (Abwanderung in die Städte) als auch einem steigenden Konkurrenzdruck zu begegnen (Janowitz o. J.). Ab dem Ende des 19. Jhd. wurden vereinzelt bereits Dampfmaschinen zum Pflügen und als Antrieb für Dreschmaschinen genutzt (Abbildung 1; Krombholz et al. 2009: 45). Um 1910 kamen die ersten Motortragpflüge in Deutschland zum Einsatz. Sie wurden von der Firma Stock in Berlin hergestellt, verfügten über 28 PS und hatten nur einen Vorwärtsgang (Abbildung 2). Motorpflüge ermöglichten einen zügigen Umbruch der abgeernteten Felder, was wiederrum zu einer zeitigen Herbstbestellung und einer günstigen Entwicklung der Wintersaat führte (Niemann 2020: 148 ff.). Durch Weiterentwicklungen war es schließlich auch möglich, den Pflugkörper durch andere Geräte auszutauschen und angehängte Geräte zu ziehen. Motorpflüge stießen in den 1920er Jahren jedoch an ihre Grenzen und wurden zunehmend durch Traktoren mit Verbrennungsmotoren ersetzt (Krombholz et al. 2009: 46 ff.). Die als Schlepper bezeichneten Zugmaschinen waren zusätzlich in der Lage mit Hilfe einer Riemenscheibe stationäre Dreschmaschinen anzutreiben. Insbesondere die Dampflokomobile wurden durch den Traktor verdrängt, da seine Anschaffungs- und Betriebskosten wesentlich geringer, seine Bedienung leichter und er wendiger und schneller einsatzbereit war (Weiss 1995: 45).

Vorteile der maschinellen Zugkraft gegenüber Zugtieren

Während der Schlepper in der Nachkriegszeit seinen Durchbruch feierte, ging der Zugtierbestand parallel zur fortschreitenden Mechanisierung zurück (Weiss 1995: 45, Niemann 2020: 193). Der Schlepper überzeugte vor allem mit seiner enormen Zugkraft. So wurde der ursprünglich von drei Pferden gezogene Einscharpflug im Laufe der 1920er und 1930er Jahre durch einen traktorgezogenen Dreischarpflug abgelöst. Ähnlich verhielt es sich mit dem Mähbinder, einem Vorläufer des heute eingesetzten Mähdreschers, der das Ernten von Getreide erheblich vereinfachte. Wurde dieser zunächst von Pferden bewegt, konnte er durch die Einführung des Zapfwellenantriebs ab den 1920er Jahren durch einen Traktor gezogen werden (Abbildung 3). So erreichten die Mähbinder im Vergleich zum konventionellen Pferdebinder die zwei-bis dreifache Arbeitsbreite und eine fünfmal höhere Flächenleistung (Steinbach 2004: 53). Ein weiterer Vorteil dieser Entwicklung war das Freiwerden der sonst zur Versorgung der Zugtiere benötigten Ackerflächen, die nun zur Nahrungsgüterproduktion oder als Futterflächen für Milchkühe und Schlachtvieh genutzt werden konnten (Fischer 1955: 256). Teilweise machte diese Fläche bis zu 20 % der verfügbaren Anbaufläche eines Landwirts aus (pro Zugtier ca. 1 ha; Krombholz 2019: 12).

Trotz der Vorteile vollzog sich der Besatz mit Schleppern zunächst langsam. Eine Betriebszählung aus dem Jahr 1925 ergab nur knapp 12.000 Motorschlepper. Sechs Jahre später war diese Zahl auf 15.859 angestiegen (Uekötter 2011: 278). Um 1930 hatten Schlepper in der deutschen Landwirtschaft eine Motorleistung von etwa 30 PS (Erhard 1929: 194 f.). Für kleine Betriebe kam mit dem „Klein­schlep­per“ in den 1930er Jah­ren ein erschwingliches Modell auf den Markt (Janowitz o. J.). Eine weitere Neuerung in dieser Zeit war die Verwendung von Luftreifen. Nach erfolgsversprechenden Versuchen wurden die sogenannten Niederdruck-Ackerluftreifen ab 1930 in Deutschland und in den USA produziert. Im Vergleich zu den bis dato genutzten konventionellen Greiferrädern (Eisenräder mit Greiffelementen) hatten die Luftreifen einen deutlich geringeren Rollwiderstand, der vor allem die Arbeits- und Transportgeschwindigkeit erhöhte. Ab den 1950er Jahren wurden die Schlepper ausschließlich mit Luftbereifung versehen (Krombholz et al. 2009: 54 f.).

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Quellen

Abbildung 1: Alamy ltd (Hrsg.) 2022: Dampfbetriebene Dreschmaschine. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 18.03.2022. 

Abbildung 2: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Stock-Motortragpflug. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 18.03.2022. 

Abbildung 3: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Ackerschlepper. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 18.03.2022. 

Erhard, L. 1929: Motorpflüge. In: Die Technick der Landwirtschaft 10: 194-197.

Fischer, W. 1955. Die Zugkräfte der Landwirtschaft im Bundesgebiet. German Journal of Agricultural Economics/Agrarwirtschaft 4.

Janowitz, H. o. J.: Von Muskelkraft zur Motorkraft. Technische Entwicklung in der Landwirtschaft. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 21.03.2022.

Krombholz, K. et al. 2009: 100 Jahre Landtechnik. Von Handarbeit zu Hightech in Deutschland. DLG-Verlags-GmbH, Frankfurt am Main.

Krombholz, K. 2019: Gedanken zur Vorgeschichte von Landwirtschaft 4.0. In: Frerichs, L. (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2018. Braunschweig. Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge: 1-17.

Niemann, M. 2020: Beständiger Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000. Hirnstoff Verlag GmbH, Rostock.

Roemer, T. 1959: Lehrbuch des Ackerbaus. 5. Aufl. Berlin und Hamburg.

RSU - Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 1985: Umweltprobleme der Landwirtschaft. Sondergutachten März 1985. Verlag W. Kohlkammer GmbH Stuttgart und Mainz.

Steinbach, C. 2004: 750 Jahre Karow. Aus der Geschichte eines mecklenburgischen Gutsdorfes. Gemeinde Karow.

Uekötter, F. 2011: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.

Weiss, R. 1995: Dampfkraft in Mecklenburg: Bau und Einsatz. Verlag Reinhard Thon, Schwerin.