Mechanisierung in Mecklenburg II
Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jhd.
Der Einsatz von Motoren in selbstfahrenden Maschinen und Zugmaschinen begann sich nach dem Ersten Weltkrieg langsam zu entwickeln (Kreisagrarmuseum 2022). So gab es in der mecklenburgischen Landwirtschaft 1925 insgesamt 221 Traktoren, wovon 200 zum Inventar der Gutsbetriebe und 21 zu großbäuerlichen Betrieben gehörten. Bei rund 1.500 Gutsbetrieben hatte somit ca. jedes siebte bis achte Gut einen Traktor zur Verfügung. Auf jeden Schlepper entfielen rund 2.850 ha Gutsland (Statistisches Reichsamt 1928: 62 ff.) Parallel zur Mechanisierung erreichte der Pferdebestand in Mecklenburg im Jahr 1925 mit 139.053 einen Höhepunkt und nahm anschließend kontinuierlich ab (Krombholz et al. 2009: 45). Pferde und auch andere Zugtiere wurden nach und nach durch Schlepper ersetzt. Die ursprünglichen von Pferden gezogenen Mähbinder beispielsweise erreichten eine Arbeitsbreite von 80-100 cm. Durch die Einführung des Zapfwellenantriebs konnte der Mähbinder ab den 1920er Jahren durch einen Traktor gezogen werden und erreichte so eine Arbeitsbreite von 2,70 m und eine fünfmal höhere Flächenleistung als die konventionellen Pferdebinder (Steinbach 2004: 53).
Mitte der 1930er Jahre wurde im Dritten Reich mit dem Ziel einer autarkeren Wirtschaft die Anschaffung von Maschinen, Elektrogeräten und Elektromotoren durch Preissenkungen begünstigt. Diese Subventionierung trug in den Folgejahren Früchte. So hatte sich in der Zeit von 1933 bis 1939 die Anzahl der Strohbinder, Strohpressen und Ackerschlepper in Mecklenburg mehr als verdoppelt. Die Zahl der Kartoffelerntemaschinen stieg um fast 90 % und die der Düngerstreuer um 50 % an. Neben der steigenden Stückzahl kam es auch zu einer Erhöhung der PS-Zahlen. 1939 war die Zahl der Schlepper in Mecklenburg auf 2500 angestiegen (Niemann 2020: 279 ff.).
Ende der 1930er Jahre kamen die ersten Mähdrescher - aus den USA importiert - auf dem Gut Samow zum Einsatz (Niemann 2020: 286). Ein Zeitzeuge berichtet: „Unser Gut Samow war das erste in ganz Mecklenburg, auf dem Mähdrescher eingesetzt wurden. Als die Mähdrescher eingesetzt wurden, kamen sehr viele Leute, meist Landwirte, nach Samow und wollten diese Mähdrescher sehen und miterleben, wie sie funktionierten. Zu beiden Seiten unseres etwa 2 km langen Dammes standen auf der ganzen Länge Fahrzeuge, Pferdefuhrwerke und Autos von Schaulustigen. Die Leute waren alle sehr beeindruckt.“ (Niemann 2000: 189 ff.). In den frühen 1940er Jahren wurden Mähdrescher häufiger eingesetzt, konnten sich jedoch aufgrund der nicht ausgereiften Technik zunächst nicht durchsetzen. Der Durchbruch des Mähdreschers gelang erst rund zehn Jahre später (Niemann 2020: 289 ff.).
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der anschließenden Bodenreform, die u. a. mit der Enteignung von Großgrundbesitzen einherging, wurde das Land an Neubauern vergeben, deren technische Ausstattung sich meist auf ein Minimum belief. Unterstützend wirkte das „Komitee der gegenseitigen Bauernhilfe“, bei dem sich die Bauern Maschinen ausleihen konnten. Im November 1946 veröffentlichte das „Zentrale Bauernsekretariat der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB)“ Richtlinien zur Einrichtung von Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS), die die Maschinenausstattung erheblich verbesserten. Die MAS erhielten den Status Volkseigener Betriebe und ihnen wurden vermehrt auch politische Aufgaben zugewiesen. So hatten kleinere Bauern niedrigere Ausleihsolls für Maschinen zu entrichten als große Bauern (Krenz 1996: 28). 1949 lief in der Ostzone die Traktoren- und Landmaschinenproduktion an. Im April des gleichen Jahres wurden erstmals sowjetische Maschinen in Mecklenburg eingesetzt. Insgesamt erhielt die sowjetische Besatzungszone 1.000 Traktoren und 540 LKW (Krenz 1996: 32 f.)
In den 1950er Jahren leiteten Parteibeschlüsse mit der Aufforderung zur Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) die Kollektivierung in der Landwirtschaft ein. Viele Bauern bewirtschafteten ihre Flächen weiterhin mit einfachsten Geräten wie Karrenpflug, Grasmäher, Drillmaschine und Düngerstreuer, die von Pferden gezogen wurden. Das Pflügen wurde häufig durch die ab 1952 als Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) bezeichneten Technikausleihstationen übernommen. Ab 1955 standen auch erstmals Mähdrescherstunden des legendären S4 (Stalinez 4), eines Mähdreschers aus der Sowjetunion, zur Verfügung (Krenz in Krenz 1996: 39). Trotzdem wurde in Mecklenburg weiterhin vieles in Handarbeit bewerkstelligt (Agrarmuseum 2022). 1954 wurden nur 4,1 % des Getreides in der DDR mit Großmaschinen geerntet. In vielen LPG änderte sich bis in die 1960er Jahre wenig im Vergleich zur einzelbäuerlichen Bewirtschaftung: „Pflügerkolonnen mit Pferdegespannen, Drillmaschinen mit Pferdezug, Zapfwellenmähbinder (mit manueller Erntebewältigung bis zum Schober), Dreschen mit Lokomobile oder Traktor mit Riemenscheibe bzw. (nachts) auch elektrisch, manuelle Kartoffel- und Rübenbestellung, -pflege und -ernte, blieben […] weit verbreitet.“ (Krenz 1996: 48).
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Quellen
Abbildung 1: Museum digital (Hrsg.) 2022: Gespann-Bindemäher. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Abbildung 2: Museum digital (Hrsg.) 2022: Zapfwellen-Bindemäher aus dem Jahr 1960. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Abbildung 3: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (Hrsg.) 2022: Döblitz, Getreideernte mit Mähdrescher. Bundesarchiv Bild 183-20189-0001. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 28.03.2022.
Niemann, M. 2020: Beständiger Wandel. Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg von 1900 bis 2000, Hirnstoff Verlag GmbH, Rostock.
Kreisagrarmuseum Dorf Mecklenburg (Hrsg.) 2022: Motorisierung in der Landwirtschaft. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 28.02.2022.
Krenz, G. 2000: Notizen zur Landwirtschaftsentwicklung in den Jahren 1945-1990. Club Wien, cw Obodritendruck GmBH Schwerin.
Krombholz, K. et al. 2009: 100 Jahre Landtechnik. Von Handarbeit zu Hightech in Deutschland, DLGVerlags-GmbH: Frankfurt am Main.
Statistisches Reichsamt (Hrsg.) 1928: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich. Siebenundvierzigster Jahrgang 1928, Verlag von Reimar Hobbing in Berlin.
Steinbach, C. 2004: 750 Jahre Karow. Aus der Geschichte eines mecklenburgischen Gutsdorfes. Gemeinde Karow.