Mechanisierung in Mecklenburg III
Entwicklungen ab Mitte des 20. Jhd.
Neben den Technikimporten aus der Sowjetunion entwickelte sich ab Ende der 1950er Jahre der Landmaschinenbau zu den wichtigsten Industriezweigen in der DDR. Drei Traktorenwerke - in Nordhausen, Brandenburg und Schönebeck - produzierten eine Reihe von Modellen und auch Mähdrescher aus dem Mähdrescherwerk in Wismar unterstützten bald den S4 aus der Sowjetunion. Die Technik wurde an die MTS verteilt, von denen es im Bezirk Neubrandenburg 75 gab (Schlesinger in Krenz 1996: 65). Anfang der 1960er Jahre erhielten LPG, anders als Einzelbauern, die Möglichkeit, Technik der MTS zu übernehmen oder zu erwerben. Die Ausstattung mit Technik wurde so zunehmend in die direkte Verantwortung der LPG übergeben (Krenz 1996: 50 f.). Gleichzeitig wandelte sich die Funktion der MTS und ihre Bezeichnung wurde um RTS, also Reparatur-Technische-Stationen, erweitert (Schlesinger in Krenz 1996: 65). Mitte der 1960er Jahre bekamen gut wirtschaftende Betriebe die Möglichkeit, auf dem Produktionsmittelmarkt ohne Planvorgabe des Staates zu kaufen und an Unabhängigkeit dazuzugewinnen. So konnten beispielsweise Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen erworben werden (Krenz 1996: 84). Die Zahl der Traktoren, LKW, Mähdrescher und weiterer Erntetechnik nahm in Mecklenburg zwischen 1960 und 1965 stark zu (Krenz 1996: 89).
Auf den folgenden Parteitagen der SED fielen die Stichworte industriemäßige Produktion, Spezialisierung und Kooperation. Bezogen auf die Technik bedeutete dies, Maschinen verschiedener Partner in gemeinsamen Komplexen einzusetzen, um die Schlagkraft zu erhöhen (Krenz 1996: 91). Dieses System hätte in bestimmten Fällen erfolgsversprechend sein können, die Empfehlungen für die optimale Zusammenstellung und den Einsatz solcher Erntekomplexe wurden allerdings oftmals nicht beachtet (Krenz 1996: 157). Im Sinne der industriemäßigen Produktion wurden riesige Stallanlagen errichtet, zunächst als „Pilotanlagen“ angelegt, die mit der neusten Technik ausgestattet wurden (Krenz 1996: 98 f.). Mechanisierung war Teil der sozialistischen Intensivierung (Krenz 1996: 113 f.). In den neu gebildeten Kooperativen Abteilungen (KAP) wurden ab den 1970er Jahren modernere Zugtechnik und Mähdrescher eingesetzt. Die Wirtschaft in der DDR wuchs, der Maschinen und Fahrzeugbau boomte (Hans-Böckler-Stiftung 2022). So löste beispielsweise der Mähdrescher E 512 mit einer Schnittbreite von 6,7 m de E 175 ab und leistungsfähigere Schlepper wie der ZT 300 mit 90 PS oder der K 700 mit 220 PS (Import aus der Sowjetunion) wurden vermehrt genutzt. Die störungsanfälligen Anhängegeräte wurden durch moderne Schwadmäher und Feldhäckseler aus Westimporten ersetzt. Selbstfahrende Erntemaschinen aus der DDR-Produktion wie der Schwadmäher E 301 oder der Feldhäcksler E 280 folgten erst ein paar Jahre später (Urzynicok in Krenz 1996: 103). So auch selbstfahrende Rübenkopf- und Rübenrodelader, die sich jedoch als recht störanfällig erwiesen (Krenz 1996: 120). Zum Management von Düngemitteln und Pflanzenschutz waren 1967 die ersten Agro-Chemischen Zentren gebildet worden.
Mit den beginnenden 1970er Jahren endete aber auch die Zeit, in der Betriebe eigenständig über ihre Produktionsmittelausstattung entscheiden konnten. Für die Maschinen gab es keinen freien Markt mehr. Der Staat bestimmte nunmehr über die Verteilung strukturbestimmender Technik. „Erntestäbe“ in den Kreisen legten fest, wann die Ernte in den Betrieben durchgeführt wurde und entzogen den KAP-Leitern so die Kompetenzen (Krenz 1996: 122, 133). Selbst für Kleingeräte gab es Kontingente (Hennings in Krenz 1996: 178). Anfang der 1980er geriet die DDR-Wirtschaft in Schwierigkeiten. Massive Preissteigerungen für Rohstoffe und gekürzte Rohöllieferungen machten Investitionen im Bereich Technologieentwicklung unmöglich. Die Modernisierung der Industrie trat in den Hintergrund und die sozialistische Wirtschaft stürzte immer tiefer in die Krise (Hans-Böckler-Stiftung 2022). Die produktionstechnische Ausstattung der Betriebe veraltete, weil die Zuweisungen nicht ausreichten. Das Durchschnittsalter der Mähdrescher im Bezirk Neubrandenburg betrug 1988 16 Jahre, das der LKW 18 Jahre, Kräne und Hänger waren meist über 20 Jahre alt. Der Gesamtdurchschnitt beim Maschinenalter betrug etwa 10 Jahre (Hennings in Krenz 1996: 178). Ein weiteres Problem war das Fehlen von Ersatzteilen für die Instandsetzung der Maschinen (Krenz 1996: 196). Verglichen mit der Maschinentechnik und dem Qualitätsstandard Westeuropas hinkte die Technik so bis zur Wiedervereinigung weit hinterher (Krenz 1996: 152 f.).
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Quellen
Abbildung 1: HELO (Hrsg.) 2022: Historie 1966 bis 1989. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Abbildung 2: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Fortschritt ZT 300. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Abbildung 3: museum-digital (Hrsg.) 2022: Selbstfahrender Schwadmäher E 301. Link zum Bild. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Hans Böckler Stiftung (Hrsg.) 2022: DDR-Wirtschaft in der Krise. Wettlauf der Systeme ist verloren. Link zum Beitrag. Letzter Zugriff: 29.03.2022.
Krenz, G. 2000: Notizen zur Landwirtschaftsentwicklung in den Jahren 1945-1990. Club Wien, cw Obodritendruck GmBH Schwerin.