Kontinuität und Wandel im Schatten des Reichsnaturschutzgesetzes
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges galten in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) das Reichsnaturschutzgesetz (RNG) von 1935 und die Verordnungen (VO) zur Durchführung des RNG vom 31.10.1935, die VO zum Schutz der wildwachsenden Pflanzen und der nichtjagdbaren wildlebenden Tiere (Naturschutzverordnung) vom 18.3.1936 weiter. Auch nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 galt das RNG bis 1952 als Landesrecht und nach der Gebiets- und Verwaltungsreform 1952 formal bis 1954 weiter. Das Gesetz galt grundsätzlich nicht als politisch belastet. De facto wurde es vor Ort allerdings selten anerkannt. Nach Maßgabe des RNG sollte es einen hierarchischen Behördenaufbau geben. Die Umsetzung des RNG hatte aber bis Mai 1945 nicht dazu geführt, dass ein dem ehrenamtlichen Naturschutz entsprechender hauptamtlicher Naturschutzapparat entstanden war.
Auch in der SBZ kam eine Organisation des Naturschutzes nach Maßgabe des RNG nicht mehr zustande. Eine oberste Naturschutzbehörde auf der Ebene der Besatzungszone gab es nicht. Auf Landesebene gab es keine einheitliche Regelung der Zuständigkeit, der Naturschutz wurde mal bei den Abteilungen Forstwirtschaft in den Ministerien für Land und Forst, mal im Ministerium für Volksbildung „angedockt“. Es gab vielerorts, wenngleich nicht sofort flächendeckend, wieder Kreis-, Bezirks- und auch Landesnaturschutzbeauftragte.
Die 1952 durchgeführte Gebiets- und Verwaltungsreform führte zur Auflösung der fünf Länder und der zugehörigen Landesverwaltungen, damit auch der Landesstellen für Naturschutz, sowie zur Einführung von 15 Bezirksverwaltungen. Zu den Folgen der Reform gehörten erhebliche Unklarheiten über die Zuständigkeiten im Naturschutz, denen man mit einer Arbeitsanweisung des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft der DDR vom 27.9.1952 „über die Durchführung der Aufgaben des Naturschutzes“ begegnen wollte. Darin wurde die Fortdauer der Naturschutzverordnung vom 18.3.1936 bekräftigt („bis zum Erlass eines die einzelnen Fragen regelnden Gesetzes“) und die Zuständigkeit für den Naturschutz geklärt. Oberste Naturschutzbehörde wurde das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, mittlere wurden die Forstbehörden bei den Räten der Bezirke und untere die für Land und Forst zuständigen Referate bei den Räten der Kreise. Als den Naturschutz beratende Einrichtung wurde die am 17. Oktober 1951 gegründete Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) in Berlin benannt. Die Bezirke und Kreise wurden angewiesen, ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte einzusetzen. Darüber hinaus wurde 1953 im Zentralen Amt für Wasserwirtschaft der DDR eine Abteilung Landeskultur geschaffen, die auch Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftsgestaltung im Zusammenhang mit Meliorationen übernehmen sollte.
Vielerorts brauchte es erhebliche Zeit, bis Informationen über die Um- und Neuorganisation die erwünschten Adressaten erreichten. In Verbindung mit der Gebiets- und Verwaltungsreform 1952 und dann später im Zusammenhang mit den Arbeiten am Entwurf eines Naturschutzgesetzes der DDR stellten sich auch neue personelle und organisatorische Anforderungen, die nicht zufriedenstellend bewältigt werden konnten.
Die DDR-Gründung 1949 hatte auch Veränderungen im Vereinswesen, das im Naturschutz (und Heimatschutz) bis zum Ende des Krieges prägend war, zur Folge.
Mit der „Verordnung zur Überführung von Volkskunstgruppen und volksbildenden Vereinen in die bestehenden demokratischen Massenorganisationen“ vom 12.1.1949 wurde das Vereinswesen endgültig abgeschafft. Bestehende Heimat- und Naturschutzgruppen wurden dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands angeschlossen, unter dessen Dach in den Jahren danach eine hierarchisch aufgebaute halbstaatliche und gelenkte Sektion „Natur- und Heimatfreunde“ entstand.
Literatur zum Weiterlesen
Behrens, H.: Die ersten Jahre - Naturschutz und Landschaftspflege in der SBZ/DDR von 1945 bis Anfang der 60er Jahre. In: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (Hg.): Naturschutz in den Neuen Bundesländern - Ein Rückblick. Berlin 2001: 15-86.
Behrens, H.: Von der Landesplanung zur Territorialplanung. Zur Entwicklung der räumlichen Planung in der SBZ/DDR von 1945 bis Anfang der 60er Jahre. Marburg 1997.