System der Natur- und Landschaftsschutzgebiete
Eine kollektiv wahrgenommene Aufgabe des Naturschutzes war die systematische Auswahl, Ausweisung und Beschilderung von neuen Naturschutzgebieten (NSG). Der mit dem Naturschutzgesetz verbundenen ideellen Weiterentwicklung folgend, wurde nun ein wissenschaftliches System von NSG ausgewiesen.
Die 1. Durchführungsbestimmung zum Naturschutzgesetz eröffnete im § 1 die Möglichkeiten einer Beschränkung der NSG-Ausweisung auf wissenschaftliche Schwerpunktaufgaben wie die Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung einer standortgemäßen Forstwirtschaft („Waldschutzgebiete“) oder von Refugien für Tierarten oder Tiergemeinschaften („Tierschutzgebiete“). Auf dieser Grundlage wurde bei der Ausscheidung von Schutzgebieten systematisch vorgegangen. Es entstand in den Folgejahren ein System von Waldschutzgebieten, von Gewässerschutzgebieten und ein seinem Charakter nach schwieriger zu fassendes System von Tierschutzgebieten.
Dem System von Waldschutzgebieten, das früh (und unbewusst) die Idee des Prozessschutzes widerspiegelte, lag in seinem Ausgangspunkt die Forderung von Herbert Hesmer (Eberswalde) nach Ausweisung von „Naturwaldzellen“ zu Grunde (Hesmer 1934), unterstützt von Kurt Hueck mit der Forderung nach „mehr Waldschutzgebieten“ (Hueck 1937).
In den 1960er Jahren wurden auch bereits Behandlungsrichtlinien für NSG erarbeitet. Sie spiegelten das Pflege- und teils auch das Entwicklungserfordernis in NSG wider und damit die Erkenntnis, dass erwünschte Zustände nur durch Aufwand an Pflegearbeit erreicht werden konnten. Das war auch ideengeschichtlich neu im Naturschutz. Die Richtlinien waren ein Ersatz für Einzelverordnungen und konnten leicht an erforderliche Veränderungen angepasst werden.
Ab 1972 erschien ein vom Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz sukzessive herausgegebenes, fünf Bände umfassendes „Handbuch der Naturschutzgebiete“ der DDR.
Die im Gesetz neue Schutzgebietskategorie „Landschaftsschutzgebiet“ erhielt eine auf Erholung und auf die Schaffung von Erholungsmöglichkeiten ausgerichtete Aufgabenstellung. Bereits seit Ende der 1950er Jahre wuchsen die Probleme, die aus der Nah- und Wochenenderholung resultierten, die durch staatliche Maßnahmen wie die Einführung der Fünf-Tage-Arbeitswoche in jeder zweiten Woche (1966) unterstützt wurde. Nach dem Bau der Mauer 1961 nahm in den großen Erholungsgebieten der Druck der Erholungssuchenden auf Wälder, Seeufer und auf die Ostseeküsten sprunghaft zu. Hier wuchsen dem Naturschutz wachsende Aufgaben zu.
Auch bei der Ausscheidung und Sicherung von LSG wurde systematisch vorgegangen. In den 1960er Jahren wurde für LSG mit der Erarbeitung von Landschaftspflegeplänen begonnen. Auch dies war ein neues Instrument des Naturschutzes, für das Landschaftsarchitekten wie Werner Bauch, Walter Funcke oder Harald Linke seit Anfang der 1960er Jahre Ideen entwickelten. Auch inhaltliche Vorstellungen über Landschaftspflegepläne stammen bereits aus dieser Zeit. Landschaftsplanerische Belange wurden vor allem auch in den Entwurfsbüros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung (später: Büros für Territorialplanung) in den Bezirken wahrgenommen.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass dieses aus NSG und LSG bestehende Schutzgebietssystem auch in einem Bedingungszusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen stand, die mit der Gründung des zweiten deutschen Staates verbunden waren; es konnte vor allem deshalb geschaffen werden, weil das private Grundeigentum kein besonderes Hindernis mehr darstellte und weil eine Öffentlichkeitsbeteiligung nahezu keine Rolle spielte. In der Objekt- und Gebietsschutzpraxis erfolgte insgesamt eine Verlagerung und Erweiterung des konzeptionellen Ansatzes des Naturschutzes auf die wissenschaftliche Begründung von Unterschutzstellungen und auf die erhaltende Pflege und Gestaltung von Schutzgebieten.