Werner Blaschke
Erinnerungen zur Kinder- und Jugendarbeit in der Station Junger Naturforscher und Techniker
Die Arbeitsgemeinschaften fanden jede Woche statt, an einem bestimmten Wochentag zu einer bestimmten Zeit. Eine Arbeitsgemeinschaft bestand immer aus 8 bis 10 oder 12 Mitgliedern. Es waren fast alle Altersgruppen vertreten. Das ging los mit der 3./4. Klasse und ging bis zur 10. Klasse, Jungs und Mädchen. In der Woche kamen drei bis vier Mal solche Arbeitsgemeinschaften. Wenn das Wetter entsprechend war, wurde meine Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich zu einer Exkursion genutzt. Im Winter ging es dann um Bestimmungsübungen, den Bau von Nistkästen oder Futterhäuschen oder die Präparation von Pflanzen.
Das Interessanteste und Wichtigste waren aber eigentlich die Spezialistenlager. Diese Lager fanden zuerst immer nur in den Sommerferien in der Touristenstation des Pionierhauses in Koschen am Senftenberger See statt. Da das viel Spaß machte, hat sich das nachher ausgeweitet. In allen Ferien, Frühjahrsferien, Sommerferien, Herbstferien wurden grundsätzlich Spezialistenlager gemacht, im Winter dann weniger, da gab es dann bloß eine Exkursion um den Senftenberger See. Die Lager haben wir im ganzen Kreis an verschiedenen Schulen, in Kinderheimen gemacht, wo wir dann für die Woche untergebracht waren. Es hat sich dann auch eine Kooperation mit dem Nachbarkreis Liebenwerda herausgebildet, mit meinem Kollegen Friedrich Walther, der dort meine Funktion hatte. Wir haben dann auch gemeinsam Spezialistenlager gemacht.
Das Schöne an den Lagern war, dass intensiv praktische Arbeit geleistet wurde. Die Begeisterung war riesengroß, das muss man wirklich so sagen. Die Jungs und Mädchen waren nicht zu bremsen. Das waren ja nicht bloß die Exkursionen. Frühstück und Abendbrot musste alleine gemacht werden. Da waren jeden Tag andere Leute eingeteilt, die sich darum kümmern mussten. Das war auch anstrengend für die Schüler, gar keine Frage, aber eben sehr interessant.
Zum Anfang hatten wir AG-Leiter, die ich mir zusammengesucht hatte. So war zum Beispiel Herr Hamsch aus Berlin in unser erstes Spezialistenlager in Groß-Koschen gekommen. Unser Entomologe, ein alter Herr damals schon, kam mit dem Fahrrad aus Cottbus. Es wurde grundsätzlich mit dem Fahrrad angereist, Schüler und AG-Leiter, weil die Exkursionen auch mit dem Fahrrad gemacht wurden.
[...] Also Disziplin, Ordnung und große Begeisterung waren Voraussetzung. Und mir ging es wie den Teilnehmern, jeder freute sich am Ende des Lagers schon auf das nächste. Viele von denen, die damals dabei waren, sind heute noch Ornithologe, Entomologe und machen die Arbeit weiter. Etwas Schöneres kann einem Lehrer nicht passieren. Die sind auf ihrem Fachgebiet heute besser als ich.
Am meisten haben den Kindern die Exkursionen Spaß gemacht. Das war Freiheit, draußen herumspazieren und beobachten. Wir haben Vögel gefangen und beringt. Ich war damals ja auch Beringer der Vogelwarte Hiddensee. Die Ergebnisse der Arbeit sind auch anderweitig genutzt worden. [...] Da sind dann Listen entstanden, die in diesen wissenschaftlichen Institutionen auch verwendet und verarbeitet worden sind. Darüber hinaus gab es auch Verbindungen zum ehrenamtlichen Naturschutz. Ich war ja auch Vorsitzender der Fachgruppe Ornithologie im Kreis Senftenberg und Mitglied im Kulturbund und im Kreisvorstand des Kulturbundes. Das war praktisch alles eins.
Die Station Junger Naturforscher und Techniker gab es in der DDR in jedem Kreis. Die waren direkt der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises angeschlossen und wurden genauso behandelt wie eine Schule. Die hatte zwar keinen Direktor, aber einen Leiter und pädagogische Mitarbeiter. Wir waren in der Station zu viert, meine Frau als Sekretärin, zwei Techniker und ich. Und dann kamen noch die AG-Leiter dazu. Die kamen einmal in der Woche und machten ihre zwei Stunden. Da gab es Schiffsmodell, Flugmodell, Elektronik. Wir hatten einen, der machte Aquarien. Das war auch Teil der Station. Ich war praktisch für die grüne Strecke verantwortlich. Die Qualifikation der Mitarbeiter lief über die Lehrstätte in Müritzhof. Da gab es spezielle Lehrgänge für die Leute von den Stationen.
Die Stationen wurden nach der Wende sofort alle geschlossen. 1990 war alles schlagartig weg. Mitte Dezember kriegten wir mitgeteilt, dass wir ab 1. Januar keinen Anspruch auf Geld mehr hatten und auch nicht arbeiten brauchten. Von Kündigung oder so etwas keine Spur. Die Schule durfte uns, aus welchen Gründen auch immer, als Lehrer nicht einstellen. Damals hatte ich den Eindruck, dass die Kinder dann nur noch gebildet und nicht mehr erzogen werden sollten. Mir kam das jedenfalls immer so vor.
Literatur zum Weiterlesen
Blaschke, W.: Eine Station Junger Naturforscher und Techniker. Studienarchiv Umweltgeschichte 15 (2010): 28-34.
Behrens, H. und Hoffmann, J. (Hg..): Naturschutzgeschichte(n) – Lebenswege zwischen Ostseeküste und Erzgebirge. Friedland 2013.
Zur Person
geboren 1932
Herrenschneidermeister; Lehrerstudium für Biologie und UTP Landwirtschaft in Güstrow
nach der Lehrerprüfung viele Jahre Lehrer in Lauchhammer; Anfang der 1980er Jahre bis 1990 pädagogischer Mitarbeiter an der Station Junger Naturforscher und Techniker des Kreises Senftenberg
langjährig Leiter des „Naturschutzaktivs Lauchhammer“, Ortsnaturschutzbeauftragter in Lauchhammer und Mitglied des Naturschutzbeirates des Kreises Senftenberg