Dr. Sonnfried Streicher
Erinnerungen zur Rolle der naturwissenschaftlichen Museen in der Naturschutzarbeit
Die naturwissenschaftlichen Museen waren zweifelsohne in ihrer Region durchweg Zentren der Naturschutzarbeit in der DDR. Das war schon deshalb so, weil in diesen Museen Leiter oder Mitarbeiter meist gleichzeitig auch Kreis- oder Bezirksnaturschutzbeauftragter waren oder Arbeitsgemeinschaften des Naturschutzes leiteten und aktiv in den Naturschutzgremien wirkten. Ich denke beispielsweise an Waren mit Horst Schröder als KNB oder an Potsdam, Görlitz, Kamenz, Haldensleben und einige andere mehr. Hinzu kam, dass auch die Ausstellungen immer stärker unter dem Aspekt des Natur- und Umweltschutzes umgestaltet wurden. Dies geschah nicht einfach so, indem lediglich das Naturschutzgesetz veranschaulicht wurde. Es wurden vielmehr Einblicke in ökologische Zusammenhänge gegeben, die anschaulich die Problematik und Notwendigkeit des Natur- und Umweltschutzes beleuchten. Wir haben sehr darauf gedrungen, dass diese Probleme insbesondere am Beispiel regionaler oder anderer Bezüge dargestellt werden. Das war ein langwieriger Prozess. Hinzu kam, dass die naturwissenschaftlichen Museen auch Zentren für die Dokumentation des Zustandes der Natur waren, vor allem auch im Hinblick auf geschützte Tier- und Pflanzenarten, die gesammelt und dort konzentriert wurden. So hatten wir z.B. erreicht, dass gesetzlich festgelegt wurde, dass alle Walfunde, vor allem Schweinswalfunde, aber auch alle Robbenfunde in unser Museum gelangten. Das war also gesetzliche Pflicht. Die mussten gemeldet und an die festgelegten Museen übergegeben werden. Dadurch hat das Meeresmuseum über Jahrzehnte hinweg hier im Ostseeraum einen Sammlungsbestand aufgebaut, der einmalig und von hohem wissenschaftlichem Wert ist. Diese Art der Dokumentation wird heute fortgesetzt. Inzwischen wurden sogar die Sammlungsbestände auch aus Schleswig-Holstein nach Stralsund überführt und werden weiterhin hier konzentriert. Zum Teil wurden von den naturwissenschaftlichen Museen auch eigene Forschungen in den Naturschutzgebieten betrieben. Und natürlich spielte in der gesamten Öffentlichkeitsarbeit der Museen der Naturschutz eine erhebliche Rolle. Sie waren eben einfach personell, räumlich und ein bisschen materiell wichtige Zentren der Naturschutzarbeit in der DDR. Das wurde staatlich gefördert und eigentlich auch gefordert. [...]
Auch in der Naturschutzarbeit des Küstenbezirkes hatte unser Museum eine zentrale Stellung, nicht nur, weil es zentral lag, sondern weil wir auf vielen Gebieten mit der Zweigstelle des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz kooperierten. Wir haben von Anfang an sehr eng zusammengearbeitet, haben gemeinsame Ausstellungen zum Naturschutz geschaffen. [...]
Die inhaltliche Profilierung des Museums vollzog sich in einem langwierigen Prozess. Als ich das Museum 1956 übernahm, war es in jeder Hinsicht in einem äußerst provisorischen Zustand und sehr klein, nicht nur in den Ausstellungen, auch hinter den Kulissen. Die Situation war völlig unzureichend und es musste also ein völlig neues Museum aufgebaut werden. Auch die inhaltliche Auffassung war recht veraltet. Es musste erst einmal eine Grundkonzeption entwickelt werden. Die ging schon relativ weit und ließ auch weitere Entwicklungsmöglichkeiten offen. Uns war klar, dass sich dieses einzige naturwissenschaftliche Museum an der Ostseeküste der DDR auch auf die Ostseeküste und auf das davor beginnende Meer und die Fischerei konzentrieren muss. Das war also der Schwerpunkt, der als Grundkonzeption festgelegt wurde. [...]
1974 eröffneten wir als Museum für Meereskunde und Fischerei der DDR den Ausstellungskomplex in der Katharinenhalle. Unser Haus nahm dann eine ganz rasche Entwicklung. Wir wurden das meist besuchte Museum der DDR mit über 800.000 bis 900.000 Besuchern im Jahr und mit Tagesbesuchsspitzen von bis über 13.500. Das war sagenhaft! Dabei mussten wir ganz stark bremsen. Es wollten wesentlich mehr hinein.
Literatur zum Weiterlesen
Streicher, Sonnfried. In: Behrens, H. unter Mitarb. von B. Ziese: Lexikon der Naturschutzbeauftragten. Band 1: Mecklenburg-Vorpommern. Hrsg. vom Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V., Friedland 2007: 392-394.
Behrens, H. und Hoffmann, J. (Hg..): Naturschutzgeschichte(n) – Lebenswege zwischen Ostseeküste und Erzgebirge. Friedland 2013.
Streicher, S.: Das Meeresmuseum Stralsund – ein Beispiel für den Profilierungsprozess der naturwissenschaftlichen Museen in der DDR. Stralsund 1986.
Streicher, S.: Sieben Weltmeere hinter Klostermauern: 50 Jahre Meeresmuseum im 750 Jahre alten Katharinenkloster. Stralsund 2001.
Zur Person
geboren 1929 in Crimmitschau
Biologiestudium an der Universität Leipzig; Promotion 1985
1954 bis 1956 Tätigkeit am Naturwissenschaftlichen Museum Leipzig als stellvertretender Direktor; 1956 bis 1995 Direktor des Bezirks-Naturkundemuseums Stralsund sowie Begründer und Direktor des nachfolgenden Deutschen Meeresmuseums Stralsund
Mitarbeit im Naturschutz seit 1954; Bezirksnaturschutzbeauftragter im Bezirk Rostock 1963 bis 1985; Kreisnaturschutzbeauftragter Stralsund-Stadt 1957 bis 1963, Stralsund-Land 1961 bis 1963
Mitglied der Kommission für Küstenvogelschutz (1960 bis 1990); Vorsitzender der Fachsektion Naturwissenschaftlichen Museen (1965 bis 1990) und Mitglied des Vorstandes des Rates für Museumswesen der DDR