Dipl.-Ing. Michael Thomas arbeitet im Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte (StALU). Dort ist er unter anderem für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie zuständig. Er bietet im Lehrauftrag die Vorlesung „Gewässerkunde“ in den Studiengängen Landschaftsarchitektur sowie Naturschutz und Landnutzungsplanung an. Anlässlich des Weltwassertages sprachen wir mit ihm über Gewässerschutz, Berufsperspektiven von Absolvent*innen und den Wert des Wassers.
Herr Thomas, Sie lehren an der Hochschule Neubrandenburg Gewässerkunde. Um was geht es in diesem Modul?
In der Vorlesung möchte ich den Student*innen grundlegende Zusammenhänge in der Gewässerökologie der Fließ- und Standgewässer näherbringen. Viele sind vom Bild der sie umgebenden Gewässer geprägt. Wie ist dieses Bild aber einzuschätzen? Kenne ich überhaupt das Bild z. B. eines natürlichen Baches? Warum sind natürliche Gewässerstrukturen so vollkommen anders, als ich sie von den meisten Bächen und Flüssen kenne und warum ist es wichtig, solche Strukturen zu erhalten bzw. wieder zu fördern?
Ab und zu liest oder hört man Nachrichten, in denen es um Gewässer, deren Nutzung oder auch Verunreinigung geht. Was passiert in einem Gewässer bei bestimmten Stoffeinträgen? Wie hängen Belastung und Auswirkung zusammen? Woher kommt z. B. ein Fischsterben, was können Ursachen sein und warum und was passiert dabei genau? Das Bild vom „umkippenden See“ ist ständig präsent. Aber was ist darunter zu verstehen und was sind die Ursachen?
Für zukünftige Landschaftsarchitekt*innen bzw. Naturschutz- und Landnutzungsplaner*innen wird es im Berufsleben sicher des Öfteren Berührungspunkte mit Gewässern geben. Es ist daher umso wichtiger, dass sie die Zusammenhänge im Ökosystem Binnengewässer kennen und verstehen.
Welche Berufsfelder stehen den Studierenden offen, wenn Sie sich auf Gewässerkunde spezialisieren?
Ich mache die Vorlesung nun seit dem Wintersemester 2009. Mittlerweile weiß ich von einigen Absolvent*innen der Hochschule Neubrandenburg, die einen Arbeitsplatz im Amt, bei einem Wasser- und Bodenverband oder auch einem Planungsbüro gefunden haben, die sich mit naturschutzrelevanten- und gewässerökologischen Planungen befassen. So sind zum Beispiel zwei ehemalige Studenten heute Kollegen von mir. Auch die unteren Naturschutz- und Wasserbehörden der Landkreise in M-V sind seit einigen Jahren besonders stark im Generationenumbruch und verjüngen sich stark. Hier bieten sich besonders für Naturschutz- und Landnutzungsplaner*innen berufliche Perspektiven.
Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Meine Aufgabe im Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte ist zum einen die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an Gewässern 2. Ordnung – also in der Regel an den kleineren Bächen und Gräben im Landkreis. Zum anderen prüfe ich die Güte unserer Standgewässer und Seen. Zurzeit sind wir in der Vorbereitung des dritten Bewirtschaftungszeitraumes der WRRL, die alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, ihre Stand- und Fließgewässer, das Grundwasser sowie – falls vorhanden – ihre Küstengewässer in einen guten ökologischen und chemischen Zustand zu versetzen.
Wie steht es um den ökologischen Zustand unserer Gewässer?
Von den Küstengewässern befindet sich kein sogenannter Wasserkörper im guten ökologischen Zustand. Bei den Fließgewässern entsprechen weit weniger als 10 % der Wasserkörper dem guten ökologischen Zustand. Nur rund 20 % der berichtspflichtigen Seen über 50 ha entsprechen dem guten ökologischen Zustand. Dabei darf man diese Bewertung der Seen auf keinen Fall mit der jährlich veröffentlichten Badewasserqualität des Landes verwechseln. Hier geht es vorrangig um die Qualität des Wassers. Der ökologische Zustand beschreibt die biologische Güte eines Gewässers, aufbauend auf dessen typspezifischer Morphologie und Habitateigenschaften sowie seinen physikalisch-chemischer Parametern.
Bei den Fließgewässern befindet sich der größte Teil in einem unbefriedigenden ökologischen Zustand bzw. Potential, wobei das Potential bereits einige unausweichliche morphologische Beeinträchtigungen bereits mildernd bewertet. Es ist also noch sehr viel zu tun und wird ohne die Unterstützung der Politik sowie eines geänderten Gewässerbildes in der Gesellschaft kaum gelingen.
Wie können die Gewässer geschützt werden?
Die meisten Gewässer leiden an zu hohen stofflichen Einträgen oder morphologischen Beeinträchtigungen. Die stoffliche Belastung sollte gut handhabbar sein, besonders wenn die Eintragsquellen bekannt sind. Auf dem Gebiet der Abwasserentsorgung wurde seit der Wende schon sehr viel erreicht. Insbesondere die Nährstoffbelastung aus sogenannten Punktquellen konnte drastisch reduziert werden. Ein Problem ist nach wie vor die Nährstoffbelastung aus diffusen Quellen wie zum Beispiel der Landwirtschaft.
Während besonders die stoffliche Belastung für die Seen und Küstengewässer zum Problem wird, spielt bei den Fließgewässern besonders die ökologische Durchgängigkeit sowie typspezifische Gewässerstrukturen eine außerordentlich wichtige Rolle. Die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit durch beispielswiese dem Bau von Fischaufstiegshilfen oder der Vergrößerung von oftmals viel zu kleinen Rohrdurchlässen ist dabei vergleichsweise einfach. Aber was nützt es dem Fisch, wenn die Tür zum Wohnzimmer offen ist, aber weder Tisch noch Bett vorhanden und der ebenfalls nicht vorhandene Kühlschrank leer ist? Die größte Herausforderung ist die Renaturierung der ausgebauten und begradigten Gewässer. Ein naturnahes Fließgewässer benötigt all die Eigenschaften, wegen derer sie vor vielen Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten einmal ausgebaut wurden. Insbesondere sind dies höhere Wasserstände, regelmäßige Ausuferungen und die Möglichkeit einer eigendynamischen Entwicklung. Es ist die große Kunst, die flächendeckend vorhandene Nutzung und Kulturlandschaft mit naturnahen Fließgewässerstrukturen in Einklang zu bringen. Erschwerend kommt hinzu, dass die naturnahe Entwicklung der Bäche und Flüsse viel Fläche benötigt, die kaum einer bereit ist, zur Verfügung zu stellen.
Der diesjährige Weltwassertag steht unter dem Leitthema „Wert des Wassers“. Welche Bedeutung hat dies für Sie persönlich?
Seit Kindesbeinen an interessiere ich mich für alles rund ums Wasser. Die Verbundenheit zu meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern und besonders der Mecklenburgischen Seenplatte mit seinen hunderten Seen spielt da eine große Rolle. „Wasser ist Leben!“ – Dieser Leitsatz ist dabei für mich prägend. Wasser kann aber auch sehr viel Schaden anrichten. Meist ist es aber so, dass das Wort „Schaden“ der Mensch definiert und Schaden dort auftritt, wo der Mensch in die Natur eingegriffen hat – also selbst einen Schaden verursacht hat. Während der Gewässerausbau und die Urbarmachung von landwirtschaftlichen Flächen in vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten durchaus nachvollziehbare Notwendigkeit waren, habe ich heute eine sehr kritische Meinung zur industriellen Landwirtschaft und ihrer Vereinnahmung der Natur. Aus meiner Sicht wäre es an der Zeit, der Natur etwas Raum wiederzugeben. Der deutlich erkennbare Klimawandel verändert die Niederschlagsverteilung in unseren Breiten. Hochwasser und Trockenheit sind längst keine Einzelphänomene mehr. Hier ist es umso wichtiger, den natürlichen Wasserhaushalt zu stabilisieren bzw. wiederherzustellen. Wasser muss zurückgehalten werden, wenn es da ist. Ich kann nicht im Frühjahr die Staue und Wehre aufreißen, damit ich mit meinen schweren Maschinen auf die Flächen komme und im Sommer alles dicht machen, um das letzte bisschen Wasser anzustauen. Neben dem Wasser, was unwiederbringlich weg ist, werden auch jede Menge Nährstoffe aus den Flächen über die Fließgewässer in die Seen und Küstengewässer geschwemmt. Man muss sich aus meiner Sicht davon verabschieden, die Natur wie mit einem Wasserhahn bedienen zu wollen – Hahn auf, Hahn zu wie es gerade notwendig ist. Mein Standpunkt ist: Nur die Natur regelt alles nachhaltig und am sinnvollsten. Das bedarf aber einer geänderten Bewirtschaftung der Flächen und eines Umdenkens in der Landwirtschaft: Wir sind auf das Wasser angewiesen, genauso wie der Fisch und der Bachflohkrebs.