Ethnopharmakologie heißt das Forschungsfeld, in dem sich Dr. Fabien Schultz bewegt. Er beobachtet und dokumentiert die Selbstmedikation von Wildtieren des ugandischen Dschungels. Gleichzeitig lehren ihm indigene Heiler*innen die Verwendung von traditionellen Heilpflanzen. Unter Einsatz modernster Forschungsmethoden werden medizinische Wirkstoffe untersucht, welche pflanzlichen Ursprungs sind. Fast 50% aller Medikamente haben direkten oder indirekten natürlichen Ursprung. Der Medicinal Plant Names Service (MPNS) führt knapp 34000 medizinisch genutzte Pflanzen weltweit, davon sind aber nur wenige im Labor untersucht worden. Schultz will dies mit seiner Arbeit im Feld der Ethnopharmakologie ändern.
Während seiner Feldforschung hält sich Dr. Fabien Schultz in Uganda auf, wo er mit seinem Team mit zahlreichen Heiler*innen zusammenkommt, welche ihm den Einsatz verschiedener Heilpflanzen nahebringen. Üblicherweise werden die Symptome einer Krankheit behandelt. Zum Einsatz kommen dabei einzelne pflanzliche Wirkstoffe oder eine Mischung synergistisch wirkender Stoffe. Das erworbene Wissen und die Inhaltsstoffe der Pflanze nimmt Schultz mit in die Labore der Hochschule Neubrandenburg und testet ihre pharmakologische Wirksamkeit.
Besonderes Augenmerk legt er auf schmerzstillende oder entzündungshemmende Stoffe, aber auch Mittel gegen Malaria. Ein weltweites Problem bilden die sogenannten Krankenhausbakterien, also Krankheitserreger, die resistent gegen Antibiotika geworden sind. Antibiotika versuchen ein Bakterium abzutöten und somit zu bekämpfen, verlieren aber ihre Wirkung, wenn eine Resistenz auftritt. Schultz‘ Laborergebnisse zeigen, dass bestimmte Pflanzen- oder Wurzelextrakte die Kommunikation der Bakterien untereinander unterbrechen können und damit unschädlich gemacht werden können.
Jedoch setzt sich Schultz nicht nur mit traditionellen Heiler*innen auseinander, sondern beobachtet auch die Tiere des Dschungels. Vor allem Schimpansen und Berggorillas essen im Fall einer Verletzung oder Krankheit verschiedenen Pflanzen, die sie sonst eher vermeiden. Die Beobachtungen führten so weit, dass das Forschungsteam einen verletzten Schimpansen über 15 Kilometer verfolgt haben. Er war auf dem Weg, eine Pflanze zu finden, die in seiner normalen Umgebung nicht wächst, um seine Verletzung zu behandeln. Obwohl der Affe kurze Zeit später seinen Wunden erlag, konnten den Inhaltsstoffen der verspeisten Pflanze schmerzstillende und fiebersenkende Wirkungen attestiert werden. In den Laborversuchen waren die Stoffe sogar wirkungsstärker als Aspirin.
Obwohl die Forschung schon hilfreiche Ergebnisse liefern konnte, befindet sich jeder Ethnopharmakologe in einem Wettlauf gegen die Zeit. Traditionen, Kultur und wissenschaftlich wertvolles Wissen indigener Völker gehen immer weiter verloren. Das Artensterben wird durch die Abholzung des Regenwalds vorangetrieben, so verschwinden Lebensräume und somit auch die Pflanzen. Ältere Heiler*innen kennen mitunter wirkungsvolle Pflanzen, die jüngere nicht mehr kennen, weil die Pflanze schlichtweg nicht mehr in der Region wächst.
Den Grundstein für diesen spannenden Karriereweg legte sich Fabien Schultz Studium an der Hochschule Neubrandenburg. Hier absolvierte er den Master of Science Bioprodukt und Lebensmitteltechnologie. Danach promovierte er mit summa cum laude an der Technischen Universität Berlin in Ethnopharmakologie und erhielt zusätzlich ein Fulbright-Stipendium an der Emory University in Atlanta. Aufgrund seines spannenden Forschungsschwerpunktes wurde Schultz in diesem Jahr zu einem der „EC50 – 50 Menschen, die die Welt verändern“, gekürt. Diese Ehrung kam vom renommierten Explorers Club, einem der exklusivsten Wissenschaftsclubs der Welt. Zu seinen Mitgliedern zählten unter anderem Charles Lindbergh oder der Polarforscher Roald Amundsen.
Zurzeit arbeitet Dr. Fabien Schultz wieder an der Hochschule Neubrandenburg, wo er mit seiner Arbeitsgruppe Heilpflanzen aus der Region untersucht. Dazu führt das Team unter anderem eine Bevölkerungsumfrage zu Wissen, Einstellung und Verwendung von heimischen Heilpflanzen durch.