„Ich bin dankbar!“ Ein Rostocker auf dem Weg zum Studium ohne Abitur

Der interviewte Reimar Goldschmidt lehnt lässig an einer Reihe bunter Spinte. Er lächelt freundlich und trägt lockere Kleidung. Die Spintfächer sind blau und rosa.
Reimar arbeitet bei einem sozialen Träger in einem Rostocker Jugendklub. An den Wochenenden kümmert er sich um sein Studium an der Hochschule Neubrandenburg. Foto: Martin Fröse

„Ich bin ja schon älteren Semesters“, behauptet Reimar Goldschmidt im Interview. Der 54-Jährige gehört im berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit tatsächlich zu den ältesten Studierenden, mithalten kann er aber allemal. Vor unserem Interview durfte sich der Rostocker in einer Prüfung beweisen, die er souverän mit 1,3 abschließen konnte.

Mit dem Ablegen von Prüfungen kennt er sich aus. Nachdem sich Reimar 2023 auf ein berufsbegleitendes Studium bewarb, absolvierte er ein Semester als Gasthörer an der Hochschule Neubrandenburg. Diese Zeit konnte nach Bestehen der Zugangsprüfung an das Studium angerechnet werden. Die Prüfung muss durchgeführt werden, wenn der oder die Bewerber*in nicht alle Zugangsqualifikationen erfüllt, beispielsweise die Allgemeine Hochschulreife (das Abitur) fehlt. Damit bei der Prüfung nichts schief geht, entschied sich Reimar vorab, Hilfe anzunehmen: „Ich habe im Hochschulzulassungstraining regelmäßig Texte bekommen, die ich ausarbeiten oder zusammenfassen sollte. Außerdem gab es immer wieder kleine, praktische Tipps: Kauf dir einen Füller, weil der leichter schreibt als ein Kugelschreiber! Das hilft in einer vier Stunden langen schriftlichen Prüfung ungemein. Mein Arm hat sich natürlich trotzdem nach dem ersten Tag angefühlt, als käme ich vom Klettertraining.“

Druck von mehreren Seiten führte zur Entscheidung zu studieren

Eine Kollegin, die bereits in der Vier-Tore-Stadt studierte, empfahl ihm das Studium in Neubrandenburg. „Sie hat mich mehr oder weniger angeschoben. Dazu kam, dass ich von meinem Sohn ermutigt wurde, damit ich nicht irgendwann ‚Hätte ich mal…‘ sagen kann.“ Für seine berufliche Wunschzukunft sei ein Studium ohnehin nötig gewesen: „Ich habe bereits über elf Jahre als Therapeut in der Kinder- und Jugendpsychatrie gearbeitet. Nun wollte ich wieder mit Jugendlichen arbeiten, aber Träger sind an das Fachkräftegebot gebunden, weshalb ich weitere Qualifikationen brauchte. Positiver Zwang sozusagen.“

„Ich bin nicht immer der Schnellste.“

Für Vorlesungen schaufelt sich Reimar Freitage und Samstage frei, das sei aber mit seinem Privatleben gut vereinbar. „Meine Kinder sind aus dem Haus und für meine Freundin ist das auch okay. Meine Arbeit ist auch nie an den Wochenenden. Ich betrachte die Zeit an der Hochschule also fast als mein Hobby.“ Ein Hobby, welches ihm viel abverlangt: „Ich bin nicht immer der Schnellste, frage dreimal mehr nach als andere Studierende, aber es funktioniert.“ Über die Professor*innen sagt er lächelnd: „Sie verlangen uns sehr viel ab, aber sind dabei immer wohlwollend und wertschätzend. Ich habe das Gefühl, sie versuchen, aus jedem Prüfenden das Beste rauszuholen. Eine ganz große Leistung, für die ich sehr dankbar bin.“

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