Vom 14. – 18. Juni 2021 fand an der Hochschule Neubrandenburg die erste Nationale Sommerschule der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation (DGPF) statt. Neubrandenburg hatte sich um die Ausrichtung der Sommerschule beworben und den Zuschlag erhalten.
Studierende aus Nord- und Süddeutschland waren angereist, um im Kreise von Spezialisten ein historisches Bauwerk der Stadt zu vermessen und anschließend am Computer in 3D zu rekonstruieren. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Kresse, Prof. Dr.-Ing. Sven Brämer und M.Eng. Martin Kiskemper von der Hochschule Neubrandenburg leiteten die Studierenden aus den höheren Semestern eine Woche lang an, beantworteten Fragen und hielten Vorträge zu ausgewählten Spezialthemen. Im Mittelpunkt stand jedoch immer die praktische Übung der Studierenden. In kleinen Gruppen erarbeiteten sie sich selbstständig das Projekt von der Datenaufnahme bis zur Erstellung der Endprodukte.
Prof. Kresse hatte hierfür zusammen mit der Stadt Neubrandenburg das Friedländer Tor am Pferdemarkt als historisches Bauwerk ausgewählt. Stadtdenkmalpfleger Dr. Harry Schulz führte die jungen Vermesser zu Beginn in die durchaus abenteuerliche Geschichte dieses Stadttores ein. In den folgenden Tagen wurden dann Referenzpunkte zum geodätischen Netz eingemessen, 14 Laserscans aufgenommen, mehrere Drohnenbefliegungen für die Luftbildaufnahmen durchgeführt und verschiedene Detailaufnahmen mit Kameras vom Boden aus aufgenommen. Die Hochschule Neubrandenburg verfügt über hochmoderne Vermessungsgeräte, vom derzeit aktuellsten Laserscanner aus Deutschland bis zur RTK-Drohne (Positionsgenauigkeit ungefähr 2 cm).
Im Computerlabor wurden dann aus den Messdaten Millionen von Punkten errechnet, in mathematische Baumstrukturen umsortiert und mit den geodätischen Referenzpunkten in Übereinstimmung gebracht. Die Abende wurden lang, denn die Computer mussten fehlerhafte Punkte eliminieren, die verbleibenden Punkte zu einem Netz vermaschen und mit den hochaufgelösten HDR-Photos texturieren. Manchmal wurde erst am nächsten Morgen sichtbar, was die Computer über Nacht berechnet hatten. Der Prozess war auch deshalb interessant, weil er technische Parallelen zur Game-Industrie aufwies, nur ging es hier nicht um ein Phantasieprodukt, sondern um ein echtes historisches Bauwerk. Am Ende der Woche standen die erhofften Endprodukte: ein 3D-Modell, wie es z.B. auf Geoportalen bereit gestellt werden könnte, True Orthophotos, die deutlich besser waren als die Maps bekannter Konzerne und ein digitales Terrainmodell für die Höheninformation.
Auch wenn die Arbeitstage intensiv und lang waren, so bleibt doch das typische Gefühl einer Sommerschule: eine Woche gemeinsam mit Gleichgesinnten von verschiedenen Hochschul- und Uni-Standorten verbracht zu haben, gemeinsam eine anspruchsvolle Aufgabe bearbeitet zu haben und bei all dem eine ganz praktische Ahnung davon bekommen zu haben, wo die Frontlinie angewandter wissenschaftlicher Forschung gegenwärtig verläuft.