Sehr geehrte Damen und Herren der Stadtvertretung Neubrandenburg,
Die Stadtvertretung hat in der vergangenen Woche ein Verbot der Regenbogenbeflaggung auf dem Bahnhofsvorplatz beschlossen. Dieses Verbot ist umgehend umgesetzt worden.
Die Entfernung der Regenbogenflagge ist in unseren Augen ein unmissverständliches Bekenntnis der Stadtvertretung. Die Flagge ist Symbol vor allem für den Respekt gegenüber queeren Menschen und ein Symbol für ihren Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für sexuelle Selbstbestimmung. Für queere Menschen bedeutet dies sehr konkret, dass sie, noch stärker als ohnehin schon, alltäglich Herabsetzungen und homo- und transfeindliche Gewalt ertragen werden müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Anfeindungen gegenüber dem Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg sowie seine damit in Zusammenhang stehende Rücktrittsankündigung unerträglich.
Das Verbot der Regenbogenbeflaggung auf dem Bahnhofsvorplatz hat in der Hochschule Neubrandenburg und in Teilen der Stadtgesellschaft für erhebliche Irritation, Unverständnis und Widerstand gesorgt. Das Medienecho hat zudem eine bundesweite Aufmerksamkeit hervorgerufen, deren Folgewirkungen sich für die Hochschule Neubrandenburg schon jetzt ankündigen.
Im hochschulischen Kontext haben die Regenbogenfarben in den letzten Jahren eine übergreifende Symbolkraft entfaltet. Sie stehen für Vielfalt, Toleranz, Inklusion, ein friedliches Miteinander, gegen Ausgrenzung, Diskriminierung, Hetze und Extremismus. Der Kanon dieser Grundwerte ist als Rahmen und Grundvoraussetzung der gemeinsamen Arbeit und des gemeinsamen Lebens auf dem Campus der Hochschule Neubrandenburg nicht verhandelbar. In einer Welt mit dringend zu lösenden Fragen können gute Zukunftsperspektiven nur gemeinsam im offenen und vielschichtigen Diskurs, unter Einbeziehung vielfältiger Sichten und Erfahrungen und der Aushandlung von Lösungsansätzen, gefunden werden.
Die Hochschule ist ein Ort in Neubrandenburg, wo Studierende, Mitarbeitende und Gäste aus der gesamten Welt in ihrer individuellen Vielfalt eingeladen sind, zu studieren, zu lehren, zu forschen, zu arbeiten und zu leben. Nur wenn dies weiterhin gelingt, kann die Hochschule ihre regionale und überregionale Wirkungskraft voll entfalten und so zur Attrahierung und Qualifikation von beruflichen Fach- und Spitzenkräften sowie zur Innovationskraft beitragen. Aus diesem Grund sind eine positive Wahrnehmung des Hochschulstandortes Neubrandenburg und vor allem eine gelingende Willkommenskultur von ganz besonderer Bedeutung. Es ist wichtig, dass wir auch zukünftig junge Studierende für Neubrandenburg begeistern, sie gern in die Stadt und in die Region kommen, um hier zu leben und vielleicht hier ihre berufliche und private Zukunft aufzubauen.
Insbesondere in einer Zeit demografischer Talsohlen, lebenslanger Bildungserfordernisse aufgrund technologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen, sollten wir alle in Neubrandenburg (Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Institutionen, Verbände, Kammern, Stadtvertretung - die Zivilgesellschaft insgesamt) ein Interesse daran haben, die Attraktivität des Standortes zu sichern und weiter zu befördern.
Aus den benannten Gründen rufen wir die Stadtvertretung auf, in der Gesamtschau der Bedeutung der Symbolkraft, das Verbot der Regenbogenflagge zu überdenken und erneut zu verhandeln.
Das Rektorat der Hochschule Neubrandenburg