Studiengang lockt junge Leute aus ganz Deutschland

Inklusion, das ist mehr als eine Rollstuhlrampe. Aber was steckt hinter dem Wort, das manche Sonntagsrede schmückt? An der Hochschule Neubrandenburg hat man einige Antworten.

NEUBRANDENBURG. Es gehört zu jenen großen Worten, die jeder schon oft gehört hat und sich doch meist wenig Griffiges darunter vorstellen kann. Oder nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was damit gemeint ist. Wenn Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam in derselben Klasse lernen, ist das Inklusion; sicher, schon, auch. Viel umfassender aber wird der Begriff an der Hochschule Neubrandenburg betrachtet – nicht erst, seit im vergangenen Jahr sechs junge Leute mit Behinderungen in dem landesweit einmaligen Projekt „Inklusive Bildung“ zu Lehrkräften weitergebildet werden, um später selbst einmal Studierenden nahe zu bringen, was Inklusion wirklich ist.

Als „Wertschätzung des Anderen und des Andersseins“ beschreibt zum Beispiel Hochschulrektor Gerd Teschke dieses Thema, das über Gleichstellungsfragen weit hinauswachse. „Wir reifen daran, wie wir damit umgehen und es in die Gesellschaft tragen“, sagt er. „Wir reden und handeln nicht über andere hinweg, sondern mit ihnen.“ Demnächst soll auch im Leitbild der Anspruch einer inklusiven Hochschule deutlich formuliert werden.

Aufmerksamkeit und Umsetzung findet das Thema verstärkt, seit Sozialpädagogik-Professorin Anke Kampmeier ihn 2007 in ihrer Antrittsvorlesung vorbrachte. Inzwischen höre sie von vielen Kollegen und Kolleginnen, „dass sie jetzt erst verstehen, was das eigentlich meint“. Nämlich nicht nur Veränderungen im Detail wie eine Rollstuhl-Rampe, sondern ein Grundverständnis in der Organisationsstruktur. „Wir sind über eine Kategorisierung hinaus, die etwa behinderte Menschen, Frauen oder wen auch immer betrifft“, sagt sie: Inklusion werde nicht mehr zielgruppen-, sondern systemorientiert betrachtet als Prinzip, Verschiedenheit auf beruflicher wie auch menschlicher Ebene im täglichen Umgang wertzuschätzen.

Inklusion spielt für die Wirtschaft größere Rolle
„Das kommt zunehmend auch in der Wirtschaft an“, stellt Steffi Kraehmer, Professorin für Sozialpolitik, fest. Das Bewusstsein, dass nicht nur rein fachliche Kompetenzen benötigt werden, setze sich in immer mehr Unternehmen durch. Spürbar wird das für die Hochschule Neubrandenburg nicht zuletzt in dem berufsbegleitenden Master-Studiengang „Organisationsentwicklung und Inklusion“, der jetzt in der fünften Auflage ein immer höheres Ausgangsniveau der Bewerber und immer mehr Interessenten aus anderen Bundesländern bis hin nach Hessen, Bayern und BadenWürttemberg verzeichnet: „Die müssen ja Gründe haben, sich uns als Hochschule auszusuchen.“

Zum Beispiel weil frühere Absolventen mittlerweile selbst Fachkräfte auf diesem Gebiet sind und mit ihren Teams die Neubrandenburger „Inklusionswirkstatt“ nutzen – natürlich ist das i in Wirkstatt beabsichtigt. „Wir haben mittlerweile sehr viele Multiplikatoren und Multiplikatorinnen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern“, bestätigt Anke Kampmeier.

Lehrinhalte in den Studiengängen nicht nur des Fachbereichs Soziale Arbeit, Formate für die Lehrerfortbildung in einem landesweiten Verbundprojekt, vor fünf Jahren die Gründung des FriedaNadig-Instituts für Inklusion und Organisationsentwicklung sowie seit dem vergangenen Jahr die „Inklusive Bildung“ sind weitere Bausteine mit Signalwirkung über die Region hinaus.

Und wie inklusiv ist die Hochschule selbst? „Wir sind auf dem Weg“, sagt Steffi Kraehmer. Fußstapfen seien gesetzt; Inklusion jedoch sei ein Marathonlauf, ein niemals abgeschlossener Prozess: „Wir müssen immer wieder neue Impulse setzen.“

Mit der Veranstaltungsreihe „Vielfalt inklusiVe“ jedenfalls wollen die Neubrandenburger Akteure in den nächsten Monaten zeigen, welche Bedeutung Inklusion für die Hochschule, für deren Netzwerkpartner und andere Bildungseinrichtungen hat. So werden am 29.März Materialien und Methoden der Inklusionswirkstatt vorgestellt, am 28. April Interessierte zu einem Vernetzungsforum eingeladen und ab 13. Mai eine Ausstellung über Sinti und Roma gezeigt - Fortsetzung folgt.


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