Daseinsvorsorge

Daseinsvorsorge ist ein wesentlicher Bestandteil der räumlichen Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen und der lokalen Lebensqualität. Sie ist Schlüssel für eine zukunftsfähige ländliche Entwicklung.

Auf diesen Seiten finden Sie Informationen zur Daseinsvorsorge allgemein. Sie finden einschlägige Leitfäden und Veröffentlichungen zum Thema, Netzwerke und Informationsportale sowie ausgewählte gute Beispiele. 

Leitfäden und Literatur

Projekte, Portale, Netzwerke

Karten und Daten

zu Daseinsvorsorge und Gleichwertigen Lebensverhältnissen


Definition Daseinsvorsorge

Daseinsvorsorge umfasst die Güter und Dienstleistungen, die dem Gemeinwohl und der Lebensentfaltung der Menschen dienen.

Daseinsvorsorge ist die flächendeckende Versorgung mit diesen Gütern und Dienstleistungen in guter Qualität, zu sozial verträglichen Preisen und in akzeptabler Erreichbarkeit.

Daseinsvorsorge ist ein wesentlicher Bestandteil der räumlichen Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen und der lokalen Lebensqualität.

(Quelle: Eigene Zusammenstellung)

Daseinsvorsorge bedeutet die Sicherstellung von Grundbedürfnissen und die Schaffung von Möglichkeiten für eine selbstbestimmte Lebensführung. Eine flächendeckende Organisation der Daseinsvorsorge kann nur im Zusammenspiel staatlicher und kommunaler Behörden, zivilgesellschaftlicher Organisationen und privatwirtschaftlicher Unternehmen („Koproduktion“) gelingen.

(Quelle: ARL Positionspapier 108 „Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse neu denken “)

Erweitertes Verständnis von Daseinsvorsorge

Wie muss Daseinsvorsorge gestaltet werden, um jedem Einzelnen ein eigenständiges Leben in der Gemeinschaft  zu ermöglichen?  So ist bspw. für ein langes Leben in guter Gesundheit auf jeden Fall eine gute Gesundheitsversorgung die Grundlage. Ebenso wichtig erscheint aber auch das soziale Umfeld, Bewegung und die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Daseinsvorsorge in Form von ganz bestimmten Leistungen und Infrastrukturen wie Straßen, Versorgungsleitungen, Schulen, Ärzten, Theater oder Konzerthäusern ist demnach immer nur Mittel zum Zweck und nicht der Zweck an sich. Sie sind Mittel zur Befähigung, gesund zu sein oder im Alter eigenständig zu wohnen. Es sollte für Staat und Kommune letztlich darum gehen, jedes Mitglied und jede soziale Gruppe der Gesellschaft zum guten Leben und Handeln zu befähigen und ihnen gleiche Chancen zu bieten, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. Die Befähigung ist aber nicht nur Aufgabe des Staates. Jeder und jede Einzelne trägt soziale Verantwortung und kann dazu beitragen, andere zu befähigen. „Die Idee ist, dass die gesamte Struktur des Gemeinwesens im Hinblick auf diese Fähigkeiten und Tätigkeiten entworfen wird.“ 

Die Stärkung der Person: Daseinsvorsorge wird nicht auf die Bereitstellung von bestimmten öffentlichen Gütern und Dienstleistungen reduziert, die die regionale Wettbewerbsfähigkeit und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse garantieren. In den Mittelpunkt rücken vielmehr die Stärkung und Befähigung der Menschen mit ihrer Eigenständigkeit, ihren Fähigkeiten und ihrer Unterschiedlichkeit, aber auch mit ihrer Verantwortung gegenüber anderen.

Ausrichtung auf Wirkungen und Ziele: Güter und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck. Sie haben eine Zielrichtung und müssen Wirkungen entfalten und sind von diesen ausgehend zu denken. Die Fragerichtung muss sein: Was muss gemacht werden, um ein gesundes und gelingendes Leben führen zu können? Wie kann Bildung in ländlichen Regionen organisiert werden? Wie kann ein eigenständiges, langes Leben in der eigenen Wohnung ermöglicht werden? Diese Ausrichtung auf Wirkungen und Ziele ermöglicht mehr Offenheit, Flexibilität und die Option, Daseinsvorsorge in vielen Bereichen neu zu denken.

Vielfalt und Differenzierung: Eine individuell angepasste und wirkungsorientierte Daseinsvorsorge ermöglicht es, besser auf Vielfalt und Differenzen in Raum und Gesellschaft einzugehen und eine ausdifferenzierte Daseinsvorsorge für individuelle Lebenssituationen zu bieten. Vielfalt findet sich ebenso auf der instrumentellen Seite in der Vielfalt der Lösungen, Instrumente und Wege, in der Vielfalt der Akteurs- und Trägerkonstellationen, der Vielfalt der Institutionen oder der Vielfalt der Engagementstrukturen.

Daseinsvorsorge als Ganzes: Für den Gedanken der Befähigung greift es zu kurz, die Bereiche und Sektoren der Daseinsvorsorge isoliert voneinander zu betrachten. Sicherlich haben zum Beispiel für das Leben im Alter die gesundheitliche Versorgung und die Pflege eine herausragende Bedeutung. Aber schon hier zeigen sich Bedingtheit und Wechselwirkungen. So schafft erst das Zusammenspiel von Wohnung, Wohnumfeld, Pflege und Gesundheitsversorgung, Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen, der Teilhabe an der Gesellschaft und einem sorgenden Umfeld die Möglichkeiten, ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben auch bei körperlichen und gesundheitlichen Einschränkungen zu führen. Dieses Zusammenspiel der Angebote, Güter und Dienste einzelner Bereiche der Daseinsvorsorge muss sich dort entfalten und dort wirken, wo sich der größte Teil des Lebens abspielt und diese Bereiche eine Rolle spielen: in den Wohnquartieren sowie in den Städten und Dörfern. In diesem Zusammenhang sind strategische, konzeptionelle, integrierte Herangehensweisen notwendig. Kooperation ist dabei eine bedeutende Strategie- und Handlungsoption.

Raumbezug und Regionalisierung: Andererseits reicht es nicht aus, sich auf die infrastrukturellen Rahmenbedingungen vor Ort zu beschränken, wenn es um die Bewertung und Gestaltung der Daseinsvorsorge geht. Die Wirkungen von Gesundheitsversorgung, Pflege, von kulturellen Angeboten und Bildungsangeboten ergeben sich in der Regel aus einem Zusammenspiel vieler Angebote im Raum. In der Gesundheitsversorgung finden sich beispielsweise das Krankenhaus im Mittelzentrum, das Gesundheitszentrum in der benachbarten Kleinstadt, die gesundheitliche Pflege vor Ort und Präventionsmaßnahmen im direkten Lebensumfeld.

Koproduktion von Daseinsvorsorge: Freie Wohlfahrtsverbände, Genossenschaften, Vereine, aber auch Familien, Nachbarschaften und soziale Netze sind wichtige Bestandteile eines historisch gewachsenen, gemischten Wohlfahrtsmixes, in dem Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenwirken. Aber auch Angebote der Daseinsvorsorge, die ehrenamtlich von der Bürgerschaft organisiert werden, haben eine lange Tradition. Viele Vereine erfüllen Aufgaben mit Bezug zur Daseinsvorsorge. Häufig werden Bereiche der sozialen Daseinsvorsorge, wie Dorfläden, Mobilitäts-, Seniorenberatungs- und Betreuungsdienste, durch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort organisiert.

Quelle: Dehne

Träger der Daseinsvorsorgeeinrichtungen

Quelle: eigene Darstellung nach Stefan Krappweiß o.J.

Erklärfilm

Daseinsvorsorge.... leicht erklärt!

Der Landkreis Görlitz hat im Rahmen des Projektes Land(auf)Schwung einen Erklärfilm "Daseinsvorsorge.... leicht erklärt" erstellt.

Strategie- und Handlungsoptionen

bei der Sicherung der Daseinsvorsorge

Kooperation

Raum- und fachbezogene Kooperationen

  • Interkommunale Kooperationen (Gemeinde – Gemeinde, Landkreis – Gemeinde, Landkreis – Landkreis)
  • Fachübergreifende Kooperationen
  • Kooperationen von Kommunen mit Institutionen oder mit Vereinen, Initiativen u.ä.
  • Vernetzung und Kooperation von Anbietern (professionell und ehrenamtlich)

Kooperation bei:

  • Erstellung von (fach-)übergreifenden Strategien/Konzepten (Regionalstrategie) für Gesamt- und Teilräume
  • Strategien und Konzepte für einzelne Fachthemen/Problemfelder
  • Schaffung von Angeboten (neu oder qualitativ verbessert)

Beispiele:

  • Kooperation von Kommunen bei der Ansiedlung von Ärzten bzw. der Wiederbesetzung von Arztstandorten
  • Kooperation zwischen Gemeinde und weiteren Institutionen wie Kitas, Kirchengemeinden, Vereinen und Verbänden für ein generationenübergreifendes und unterstützendes Netzwerk
  • kommunale Bildungsplanung, gemeinsame Planung von Kita, Hort und Grundschule in Abstimmung mit der Schülerbeförderung
  • Aufbau interkommunaler Managementstrukturen im Brandschutz
  • Vereinskooperationen untereinander und mit den Ortschaften
  • Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren im Bereich der Berufsorientierung (Schulen, Arbeitsagentur, Jobcenter, Weiterbildungsträger, Fachbereichen der Kreisverwaltungen)

Zentralisierung

Zusammenlegung bzw. räumliche und funktionale Bündelung von verschiedenen Einheiten oder Leistungen an einem Standort oder in einem Ort

oft verbunden mit einer ergänzenden Verbesserung der Erreichbarkeit der zentralisierten Leistungen. 

Beispiele:

  • Bildungs- und Familienzentren,
  • Gesundheitshäuser, Ärztehäuser/Gemeinschaftspraxen 
  • Konzentration bzw. Sicherung von Daseinsvorsorgeeinrichtungen und -angeboten (z.B. Schwerpunktwehren, Grundschulen, Hausärzte u. a.) in nach eigenen regionalen Kriterien klassifizierten Orten /zentralen Orten

Verbesserung Erreichbarkeit

Erhöhung bzw. die Sicherung der Erreichbarkeit von Einrichtungen, aber auch von Zentralen Orten

  • durch starke Linien im ÖPNV
  • Umstrukturierung des ÖPNV-Netzes
  • Einführung von flexiblen, alternativen Mobilitätsangeboten,
  • Verbesserung der Barrierefreiheit von Infrastruktureinrichtungen und des ÖPNV

Kombinierter Strategieansatz

Häufig beruhen gute Lösungsansätze auf der Kombination verschiedener Optionen, z. B. zentralisierter mit dezentralisierten Ansätzen und der damit verbundenen Optimierung der Schnittstellen. Auch spielt häufig die Kombination von professionellen und ehrenamtlichen Angeboten eine wichtige Rolle. So kann die Zentralisierung/Bündelung von medizinischen Leistungen in Gesundheitszentren mit Professionalisierung einhergehen und mit einem dezentralen Ansatz kombiniert werden, z. B. mit Filialpraxen oder Dorfschwestern. Ähnliche Ansätze werden im Bereich Altenpflege/Leben im Alter empfohlen: die Einrichtung von Koordinierungsstellen auf regionaler bzw. Landkreisebene und die Etablierung von „Kümmerern vor Ort“, die häufig ehrenamtlich tätig sind. Auch in der Jugendarbeit können kombinierte Ansätze zum Tragen kommen. Neben der Stärkung der Rolle der Städte als Bildungs- und Freizeitorte wird gleichzeitig die aufsuchende mobile Jugendarbeit in ehrenamtlicher Struktur wie bspw. mit dem Projekt Kaff-Mobil im Vogelsbergkreis gefördert und damit die Fläche bedient. Deutlich wird der kombinierte Strategieansatz z. B. auch im Bereich Mobilität, wo starke, verlässliche ÖPNV-Hauptlinien eingerichtet werden und die Zwischenräume durch alternative, teilweise ehrenamtliche Angebote ergänzt werden. Der kombinierte Strategieansatz erfordert ein gutes Management und den Willen zur Kooperation.

Umstrukturierung

Vielfach macht die Erfüllung von Aufgaben in den Daseinsvorsorgebereichen Neustrukturierungen, Neuorganisationen, neue Modelle, neue Konzepte oder Substituierungen notwendig. Damit kann die Qualität der Angebote gesichert oder sogar verbessert werden. 

  • alternative Mobilitätsangebote
  • Umwandlung von Kitaplätzen im „Elementarbereich“ in „U3/Krippenplätze“
  • Umnutzung von leerstehenden Gebäuden
  • Mehrfachnutzung von Räumen in Schulen (z. B. mit Senioren)
  • Neue Organisationsformen
  • alternative niedrigschwellige Betreuungs-/ Versorgungsstrukturen
  • neue Unterrichtskonzepte  
  • Umstrukturierung von Förderprogrammen

Dezentralisierung

Mit den Angeboten in die Fläche gehen bzw. Angebote in der Fläche sichern. Häufig sind dies dann kleinere Einheiten.

Beispiele:

  • dezentrale Quartierskonzepte,
  • Kümmererdienste oder Beratungseinrichtungen in verschiedenen Orten,
  • dezentrale Generationen- und Mobilitätsmanager,
  • Satellitenstandorte bei Kitas, Filialschulen oder -praxen.
  • Kleinschulen mit anderen Standards

Temporär-mobile Ansätze

Bestimmte Leistungen der Daseinsvorsorge werden regelmäßig oder auch unregelmäßig mittels mobiler Lösungen in der Fläche wohnortnah angeboten.

Beispiele:  

  • Ausbau mobiler Versorgungsstrukturen (Rollender Tante Emma Laden)
  • Mobile Wochenmärkte
  • Mobiles Bürgerbüro
  • Rollende Zahnarztpraxis
  • aufsuchende mobile Jugendarbeit
  • mobile Diagnose-, Unterstützungs- & Beratungsleistungen

Information

Verbesserung der Information der Nachfrager, der Nutzer oder Zielgruppen, wie Schüler, Eltern, Fahrgäste, Pflegebedürftige, Ältere und Unternehmen über Angebote, Einrichtungen und Anbieter von Daseinsvorsorgeleistungen um diese bekannter zu machen. Und damit diese stärker genutzt werden. 

  • Informations- und Austauschplattformen bzw. Informationsbroschüren
  • Etablierung von niederschwelligen, unabhängigen und flächendeckenden Informations- und Koordinierungsstellen
  • Marketing und Beratung (Pflegeberatung, Wohnberatung, ärztespezifisches Regionsmarketing)

Qualifizierung

Durch Qaulifizierung könenn die Daseinsvorsorgeleistungen für die jeweiligen Zielgruppen verbessert werden. Dabei geht es um die Qualifizierung von Beschäftigten der Anbieter, von Ehrenamtlichen oder auch von Angeboten.

Beispiele:

  • Qualifizierung von professionellen und halbprofessionellen Angeboten bzw. der dort Beschäftigten, wie Tagesmütter, Berater in der Gemeindeverwaltung, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte in Kitas, VerAHs oder Pflegekräfte
  • Qualifizierung von Übungsleitern, Ehrenamtskoordinatoren, Feuerwehrleuten oder Familien/Ehrenamtlichen in der Pflege und Seniorenbetreuung
  • Qualifizierung von Angeboten in der Berufsorientierung oder im Gesundheitssport (Prävention)