Die Entwicklung des Campus BRÄUs
Michael Liedek (M. Sc. Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie) berichtet über seine Entwicklung der Campus BRÄU-Rezeptur
Angefangen hat alles mit der Auswahl meines Themas für die 2. Projektarbeit im 5. Fachsemester des Bachelor-Studiengangs Lebensmitteltechnologie. 30 Themen standen zur Auswahl, von denen wir mindestens drei, nach Priorität geordnet, auswählen sollten. Schon beim Überfliegen der Themenliste hat mich ein Thema sofort angesprochen: „Entwicklung eines Campusbieres“ bei Prof. Ebert. Spannend dachte ich mir, zumal es im 5. Semester auch das Wahlpflichtmodul „Interdisziplinäres Projektseminar Hochschulbier“ zu belegen gab, in dem Lebensmitteltechnolog*innen mit Studierenden der Fachrichtungen Agrarwirtschaft und Diätetik zusammen eine Markteinführungsstudie für eben jenes Hochschulbier durchführen sollten.
Besonders reizvoll an diesem Projektarbeitsthema war für mich die eigenständige Rezepturentwicklung sowie die Möglichkeit, gemäß der eigens erstellten Rezeptur zu brauen und über Verkostungen herauszufinden, ob das Bier geschmacklich überzeugen kann. On top, und das hat die Sache zusätzlich so interessant für mich gemacht, ging es schließlich um ein Produkt, welches nach vollständiger Produktentwicklung, ausgeschenkt und vertrieben werden soll. Daher wollte ich unbedingt bei diesem Projekt mitarbeiten. Dazu die Möglichkeit zu bekommen, durch das Wahlpflichtmodul, an der Markteinführungsstudie mitzuwirken – genial!
Bevor ich aber meine Liste priorisierter Themen abschickte, suchte ich das Gespräch mit Prof. Ebert, der sowohl für das Wahlpflichtmodul, als auch für das Projektarbeitsthema „Entwicklung eines Campusbieres“ zuständig war. In diesem Gespräch äußerte ich mein starkes Interesse an diesem Thema, formulierte aber auch meine Bedenken. Natürlich bin ich schon das ein oder andere Mal in den Genuss einer Hopfenkaltschale gekommen, doch selber gebraut hatte ich zuvor noch nie und die Prozessschritte bei der Bierherstellung waren mir durch eine Heineken–Brauereiführung in Amsterdam von vor zwei Jahren auch nur noch so halb in Erinnerung. Auch das dafür auslegte Wahlpflichtmodul „Gärungstechnologie“ wurde erst zeitgleich mit Beginn der 2. Projektarbeit im 5. Semester angeboten. Nach Ansicht meines Professors müsse ich bei diesem Thema in der Tat mit etwas mehr Arbeit bei der Recherche und Versuchsplanung rechnen, doch für den praktischen Teil stellte er mir Unterstützung in Aussicht und war guter Dinge, dass ich das schaffen werde.
Ich entschied mich, wenn auch klar war, dass eine Menge Arbeit auf mich zukommt, schlussendlich mit voller Überzeugung für das Thema „Entwicklung eines Campusbieres“ und meldete mich auch für das Wahlpflichtmodul „Interdisziplinäres Projektseminar Hochschulbier“ an. Nun begann die Arbeit. Fragen, wie – Wie wird Bier hergestellt? – Welcher Bierstil soll gebraut werden? – Welche Materialien und Rohstoffe werden benötigt? – mussten beantwortet werden. Glücklicherweise konnte ich mich bei vielen meiner Fragen mit meinem Förderer vom Deutschlandstipendium, der Störtebeker Braumanufaktur GmbH, austauschen, die schließlich Expert*innen auf diesem Gebiet sind. Außerdem hatte ich jederzeit die Möglichkeit mich in die „Gärungstechnologie“-Vorlesung von Frau Dr. Martinez-Rojas zu setzen und dort Antworten auf meine Fragen zu erhalten.
Nachdem im Wintersemester 2017/18 eine hochschulinterne Umfrage ergab, dass die beiden Bierstile „Pils“ (hopfenbetont) und "Helles" (mild, vollmundig) am stärksten favorisiert werden, sprachen sich die Teilnehmer*innen des Wahlpflichtmoduls im Wintersemester 2018/19 für einen Kompromiss aus den beiden Bierstilen aus: Es sollte ein Helles mit maximal sortentypischer Bittereinheit gebraut werden. Ziel war es, mit einem für Norddeutschland untypischen Hellen (sehr beliebt in Bayern), etwas Besonderes in der Region anbieten zu können, dass durch die forcierte herbere Note auch für die „Pils“ – Trinker interessant sein soll.
Ich plante sechs verschiedene Sude in unserem Technikum anzusetzen. Da ich keine Erfahrung bezüglich der Mengenverhältnisse hatte, basierte jede der Mengenangaben aus meinen Rezepturen auf Berechnungen, die in der Literatur zu finden waren. Um diese Berechnungen durchführen zu können, mussten im Vorfeld auch Parameter festgelegt werden, wie beispielsweise der Stammwürzegehalt des Bieres oder das gewünschte Ausschlagsvolumen.
Die Funktionsweise und die Eigenheiten unserer Brauanlage im Technikum wurden mir im Praktikum „Bierbrauen“ des „Gärungstechnologie“–Moduls erklärt. In diesem Fall war ich sehr froh darüber, an beiden Praktikumstagen das Brauen der zwei Sude an der Anlage begleiten zu dürfen, damit ich den Ablauf für meine sechs Sude planen konnte und somit wusste, auf was ich genau achten musste.
Ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich sowohl von Frau Kulik (fachpraktische Mitarbeiterin an der Hochschule) als auch von Ronny Büssow, der zu dem Zeitpunkt kurz vor der Abgabe seiner Masterarbeit stand und bereits ein Praktikum in einer Brauerei gemacht hatte, an den langen Brautagen unterstützt wurde. An Nicht–Brautagen gab es für mich jedoch auch einiges zu erledigen: So habe ich mit Beginn der Hauptgärung eines jeden Sudes täglich den Restextrakt-Gehalt der jeweiligen Vergärungsprobe bestimmt, um zu ermitteln, wann die Hauptgärung vorbei ist. Bei gleichbleibendem Restextrakt-Gehalt wurde das Bier in ein neues druckfestes Keg-Fass umgepumpt und in einer Kühlkammer gelagert, damit die Nachgärung einsetzen konnte. Nach dem Ende der Reifezeit wurde bei den verschiedenen Suden jeweils der Alkoholgehalt und die Farbe analytisch bestimmt, sowie die Bittereinheiten der sechs fertigen Biere aus den, während Herstellung, aufgenommen Daten errechnet.
Aufregend wurde es dann Anfang Januar 2019, als die große Verkostung – begleitet von einem NDR-Fernsehteam (Nordmagazin) – stattfand und ich zum ersten Mal das gebraute Bier selber probieren konnte. Neben Kommiliton*innen verkosteten zudem auch Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Mitglieder der Hochschulleitung im Sensoriklabor der Hochschule den Gerstensaft. Insgesamt war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Das Feedback der Prüfpersonen war überwiegend sehr positiv, was die Verkostungsergebnisse zeigten. Meine Rezeptur wurde nach meiner Projektarbeit noch geringfügig von anderen Studierenden optimiert.
Mir persönlich hat die praktische Arbeit so viel Spaß gemacht, dass ich unbedingt mehr über das Thema „Bier“ erfahren wollte und daher das Angebot für einen Praktikumsplatz von der Störtebeker Braumanufaktur dankend annahm. Dieses 16-wöchige Pflichtpraktikum bestärkte mich darin auch meine Bachelor-Arbeit bei der Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund zu schreiben.
Nach meinem Bachelor-Abschluss zog es mich dann im Jahr 2020 für den Master Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie aber wieder an die Hochschule Neubrandenburg.
Durch eine Kooperation mit einer Kleinbrauerei aus der Region war es inzwischen möglich das Hochschulbier in Fässern abzufüllen und zu verschiedenen Hochschulveranstaltungen, wie den Immatrikakulationsveranstaltungen, auszuschenken.
Ein weiterer Meilenstein erfolgte dann im Frühjahr 2023, und bereits nach meinem erfolgreich abgeschlossenen Masterstudium, als das Hochschulbier erstmalig von einem externen Braupartner in Berlin in Flaschen abgefüllt wurde. Als ich dann auch selber meine erste Flasche Campus BRÄU, die mir Prof. Ebert geschenkt hatte, in den Händen halten durfte, war ich über das Ergebnis meiner Rezepturentwicklung erneut begeistert ;-) Mittlerweile ist es sogar möglich die Campus BRÄU-Flaschen an diversen Anlaufpunkten in Neubrandenburg käuflich zu erwerben.
Die Erfahrung der Markteinführung eines Produkts, das man selbst entscheidend mitentwickeln konnte, ist für einen Lebensmitteltechnologen enorm motivierend für den weiteren Berufsweg – besonders in einer so frühen Phase (Studium), wie ich es nun erleben durfte – und daher von unschätzbarem Wert. Außerdem bestärkt es mich in meiner persönlichen Zielsetzung weitere Produkte aus Entwicklungsphase zur Marktreife zu bringen.