Unsere International Study Week 2017 in Breda
Unsere International Study Week 2017 in Breda
Die International Study Week (ISW) 2017 fand in diesem Jahr vom 15. bis 19. Mai statt. Sie wird im Rahmen des Moduls "Aktuelle Themen der Non-Food-Produkte" im Master-Studiengang Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie durch Prof. Dr.-Ing. Heralt Schöne und Prof. Dr.-habil. Leif-Alexander Garbe organisiert und durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein Kooperations-Projekt der Hochschule Neubrandenburg mit der Hochschule Avans in Breda (Niederlande). Ansprechpartner an der Hochschule Avans sind Prof. Johan Raab, Michiel Michels und Ischa Lamot. Zusätzliche Kooperationspartner sind die Zuckerfabrik der Firma "SuikerUnie" in Dinteloord, sowie die Zuckerfabrik in Anklam, welche ebenfalls demselben Unternehmen angehört. Die deutschen und niederländischen Studierenden bearbeiten dabei ein Untersuchungsprojekt am Beispiel der Zuckerfabrik.
Nach unserer ersten Übernachtung fuhren wir zur Hochschule. An den darauf folgenden Tagen haben wir den etwa 25-minütigen Fußweg vom Hostel zur Hochschule gemeinsam zurückgelegt. An dieser angekommen, sahen wir zum ersten Mal die modernisierten Gebäude und sehr innovativ ausgestatteten Seminarräume. Die Räume waren äußerst hell gestaltet - ein Großteil der Wände bestand aus Glasflächen, welche mit Folien zum Sichtschutz beklebt waren. Außerdem fand man in jedem Seminarraum große Präsentationsbildschirme, welche sich sowohl durch einen angeschlossenen PC, als auch durch Touch-Control steuern ließen. Als alle Studierenden eingetroffen waren, legten wir gemeinsam Kleingruppen fest, bei der jede Gruppe ein eigenes Thema auswählen konnte. Zusätzlich wurde darauf geachtet, dass in jeder Kleingruppe ein deutscher Student integriert war.
Der Fokus der diesjährigen ISW lag auf der Nutzbarmachung von so genannten "rest streams" (Nebenprodukten). Dabei ging es zum einen um die sinnvolle Verwertung der "Abfälle" aus der primären Zuckergewinnung, wie etwa die zuckerbefreiten Fasern der Rübe, welche aktuell hauptsächlich als Tierfutter verkauft oder als Biomasse für die Biogasproduktion genutzt werden. Auch die Melasse - hierbei handelt es sich um einen dickflüssigen Sirup, der nach dem Kristallisations-Prozess übrig bleibt - wurde durch eine Gruppe untersucht. Aktuell wird die Melasse ebenfalls als Tierfutter (Beimischung zu den Zuckerrübenfasern) oder für die Produktion von Bioethanol verwendet. Darüber hinaus fällt bei der Zuckergewinnung Carbokalk (auch Betacal genannt) an, welcher der Landwirtschaft als Kalkdünger dient. Ein weiterer Schwerpunkt war die Verwertung der Nebenprodukte aus der Biogasgewinnung, wie sie in Dinteloord durchgeführt wird. Eine Studentengruppe beschäftigte sich mit der Analyse des Gärrests, der durch den Fermentationsprozess entsteht und hauptsächlich als Dünger verkauft wird.
Im Anschluss an die Themenvergabe hielt Prof. Johan Raab einen Vortrag über das Zucker-Unternehmen und verdeutlichte uns dabei besonders sein Verständnis von Nachhaltigkeit. Er machte uns währenddessen darauf aufmerksam, dass eigentlich kein Abfall existiere, da sich den meisten Nebenprodukten noch weitere, hochwertige Erzeugnisse herstellen lassen. Abfall sei nur das, was wir aktuell nicht in der Lage sind, wieder- oder weiterzuverwerten.
Nach dieser interessanten Präsentation haben wir dann erstmals die Mensa für das Mittagessen aufgesucht. Uns ist aufgefallen, dass dort hauptsächlich Snacks, wie z.B. frittierte Fleischrollen (Frikandel genannt) in vielfältiger Variation, belegte Brote, sowie eine Salatauswahl angeboten und von den heimischen Studierenden verzehrt wurden. Ein richtiges Mittagsangebot mit Tellergerichten und Komponenten zur Auswahl konnten wir ungewohnter Weise dort nicht finden.
Anschließend besuchten wir gemeinsam die Zuckerfabrik in Dinteloord und bekamen dort eine ausführliche Erläuterung der Zucker- und Biogasproduktion, während wir über das großflächige Gelände geführt wurden. Beim Besuch der Biogasanlage konnten dann die einzelnen Gruppen ihre Probennahme entsprechend ihres jeweiligen Themas selbstständig durchführen. Nachdem wir das gesicherte Probenmaterial zur Hochschule gebracht hatten, war das offizielle Programm für den ersten Tag beendet.
Am zweiten Tag in Breda haben wir innerhalb unserer Kleingruppe zunächst mit der Literaturrecherche begonnen, um uns in das Thema einzuarbeiten. Dabei konnten wir unsere Ideen zusammentragen und die möglichen Experimente planen. Für diese Brainstorming-Phase hatten wir etwa zwei Stunden Zeit. Anschließend hat jede Gruppe ihr Vorhaben den anderen Gruppen präsentiert. Nach dem anschließenden Lunch haben wir uns in das Gebäude begeben, in dem die Labore der Hochschule untergebracht sind. Auch bei diesem modernisierten Backsteinhaus wurde darauf geachtet, möglichst viel Tageslicht in das Gebäude eindringen zu lassen. So befindet sich im Zentrum des Bauwerks ein Atrium, das durch das Glasdach mit viel Sonnenlicht durchflutet wird. Sämtliche Labore befinden sich im umliegenden Gebäudebereich und können von der Mitte aus betreten werden. Die verschiedenen Labore selbst besitzen eine sehr gute Ausstattung - es gab eine Großzahl an Messgeräten, die uns zur Verfügung standen. Unsere Experimente konnten wir selbstständig planen und durchführen, während die zuständigen Lehrkräfte regelmäßig vorbei schauten, nachfragten, was wir vorhatten und uns Anregungen oder Änderungsvorschläge machten.
Auch der dritte Tag war als "Labortag" für unsere Experimente geplant, welchen alle Gruppen ausführlich genutzt haben. Am Abend des Mittwochs haben einige niederländische Studierende einen Barbecue organisiert, an denen alle Studierenden und Lehrkräfte mit großer Freude teilgenommen haben. Es wurden brasilianische Gerichte auf einem kleinen Grill zubereitet, verschiedene Salate mitgebracht und gemeinsam gegessen und sich unterhalten. Dazu wurden natürlich gut gekühlte niederländische Brauspezialitäten getrunken.
Der Donnerstag war dann der Tag der Ergebnispräsentation mit anschließender Diskussionsrunde. Jede Gruppe erläuterte die Resultate ihrer Exprimente, wonach jedem Studierenden die Möglichkeit gegeben wurde, Anregungen und weiterführende Ideen vorzubringen.
Die Studierenden, welche die Melasse analysierten, versuchten diese als Nährmedium für Milchsäurebakterien zu nutzen, um mithilfe dieser Milchsäure zu produzieren. Aus dieser Milchsäure (engl. „lactic acid“) ließe sich anschließend Polymilchsäure bzw. Polylactide (PLA = poly lactic acid) herstellen, welche einen äußerst wichtigen Rohstoff für Biokunststoffe darstellt.
Die Gruppe um die Rübenfasern hatte die Idee, diese als Ausgangsstoff zur Herstellung von Papier zur verwenden, da diese zu ca. 50 % aus Cellulose und Hemicellulose bestehen, welche ebenfalls als Zellstoff zur Papiergewinnung dienen. Sollte dies gelingen, ließen sich die Kosten für das Verpackungsmaterial der Zuckerfabrik einsparen und der produzierte Zucker im eigenen "Rübenfaser-Papier" einpacken. Um diese Zellstoffe nutzbar zu machen, musste zunächst das ebenfalls enthaltene Pektin (ca. 25 %) isoliert werden. Anschließend wurden in einem weiteren 16-stündigen Extraktionsschritt Cellulose und Hemicellulose aus der verbleibenden Flüssigkeit gelöst und durch Pressen und Trocknen zu einer dünnen Schicht geformt. Es konnte tatsächlich ein papierähnlicher Stoff hergestellt werden.
Die Kleingruppe, welche sich mit der Verwertung des Gärrests aus der Biogasproduktion beschäftigte, plante dessen Gehalt an Phosphor und Stickstoff zu bestimmen. Diese Nährstoffe könnten zu Struvit - einem Mineral, das als Dünger eingesetzt wird - umgewandelt werden. Zusätzlich besitzt der Gärrests einen hohen Faseranteil, der im Verbund mit beispielsweise PLA als biologischer Packstoff dienen könnte. Die Kombination der Fasern mit Polymilchsäure (PLA wurde an der Hochschule ebenfalls in anderen Projekten hergestellt) ermöglichte die Produktion von dunkel eingefärbten Pommesgabeln aus Biokunststoff. Allerdings ist fraglich, ob die Verwertung von Dünger zu Gegenständen zum Verzehr von Lebensmitteln rechtlich zulässig ist.
Das Gesamtergebnis der Diskussion war, dass es einige interessante Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Erkenntnisse der Kleingruppen gab. So könnten die Nährstoffe aus dem Gärrest und/oder dem Betacal den Milchsäurebakterien dazu dienen, aus der Melasse Milchsäure zu produzieren, woraus wiederum PLA hergestellt werden kann. Diese Polymilchsäure könnte mit dem Faseranteil des Gärrests und/oder der Zellulose aus den Zuckerrübenfasern zu einem robusten Verbund-Biokunststoff kombiniert werden. Die Nährstoffe aus dem Betacal und dem Gärrest könnten zudem vereint einen besseren Dünger ergeben.
Am Freitag war letztlich der Tag der großen Präsentation. Der Vormittag wurde genutzt, um einen Gesamtvortrag aus den Teilthemen der einzelnen Gruppen zusammenzustellen, der anschließend am Nachmittag verschiedenen Vertretern der SuickerUnie präsentiert werden konnte. Es meldeten sich vier Studierende, inklusive eines deutschen Studenten, diesen Vortrag stellvertretend für alle Kleingruppen zu halten. Diese Präsentation traf bei den Unternehmensvertretern auf großes Interesse und führte zu einer spannenden Diskussion zusammen mit den Lehrkräften und den Studierenden. Außerdem war diese repräsentativ für die gesamte Woche - ein internationaler Informationsaustausch auf Augenhöhe.
Der Tag endete entspannt in einem Restaurant mit dem Großteil der Studierenden und am Samstag (20. Mai) brachte uns Herr Schöne sicher zurück nach Neubrandenburg.