Russland - Fakultät Irkutsk
Marius Papke, Bachelor Naturschutz und Landnutzungsplanung
Auslandspraktikum in Russland
Wohlbehalten und keineswegs enttäuscht bin ich von meinem Aufenthalt in der Russischen Föderation und der Transitfahrt durch Weißrussland und Polen nach Deutschland zurückgekehrt. Mit Hilfe meiner Aufzeichnungen möchte ich nunmehr an dieser Stelle kurz von meinen Eindrücken und Erkenntnissen bei der Umsetzung eines lange gehegten Traums, einer Reise durch die Baikalregion, berichten.
Die zehntägige Hin- und Rückfahrt (etwa 11000 km Zugstrecke), eine Exkursion von etwa 2 ½ Wochen (rund 2500 km Autostrecke) und die Aufenthalte in Irkutsk und Moskau von insgesamt drei Tagen zusammengenommen, war ich in der Summe einen Monat unterwegs. Viele interessante Eindrücke, welche ich größtenteils aus dem Abteilfenster wahrnehmen konnte, nahm ich gleichwohl aus Polen und Weißrussland mit. Weitere sieben deutsche Studenten reisten nach der Baikalexkursion zur Insel Olchon, in die Stadt Ulan-Ude oder die Mongolei weiter. Inzwischen ist mir bekannt, dass auch sie wieder unversehrt hierzulande eingetroffen sind.
Im Hinblick auf die vergangenen großen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen (Perestroika), war der Reisezeitpunkt überaus günstig gewählt. Durch den Kontakt mit Einheimischen und Reis-enden im Zugabteil-wagen (Coupe), auf der Straße oder in den örtlichen Geschäften kann ich nur Positives bericht-en.
Die Menschen vor Ort halfen mir, gemeinsam mit den übrigen deutschen Studenten die von uns gesteckten Reiseziele zu erreichen, ein wenig russisches Vokabular vor-ausgesetzt.
Besonders deutlich wurde dies in öffentlichen Einrichtungen wie Bahnschaltern oder der Post, da man beispielsweise bei einer Umbuchung oder dem Kauf einer Zugfahrkarte bis zu 40 Minuten Bearbeitungszeit in Kauf nehmen musste. Einen Brief, den ich noch am ersten Tag meiner Abreise in Irkutsk aufgegeben hatte, kam einen Monat später bei meiner Frau an.
Im Vordergrund der Exkursion standen die Aufnahmen und Beobachtungen ornithologischer und botanischer Arten sowie die Kleinstlebensräume und Großbiotope. Daneben erfuhr ich gleichwohl interessante und spannende Dinge über die Siedlungstypologie und Religionen der vielen ethnischen Gruppen und Völker aus Ost-Süd-sibirien. Die lücken-haften, aber doch fort-während protokollierten Aufzeichnungen der letzten sechs Jahre bestätigten zum einen den wissenschaftlichen Selbstanspruch und zum anderen auch die Entwicklungen bezüglich des studentischen russisch-deutschen Austauschs.
Zusammen mit den russischen Studenten der Biologie und den Dozenten der Fakultät Irkutsk, schlugen wir unsere Zelte an zwei Orten (Zama und Bolschoje Goloustnoje) auf. Zama (russisch Сарма) ist der Name eines Nordwindes am Baikalsee. Er ist dafür bekannt, der kälteste und stärkste Wind dieser Region zu sein. Die Ortschaft liegt mitten im kleinen autonomischen Kreis der Ust-Ordynsker im südlichen Sibirien, westlich des Baikalsees am Fluss Angara. Er wurde vollständig von der Oblast Irkutsk umschlossen und bildet somit eine Enklave. Von dort besuchten wir viele unterschiedliche Gebiete. Zumeist fuhren wir mit dem Kleinbus (UAZ-469) hinaus, um genügend Zeit für das Sammeln neuer Eindrücke und unsere Fotoaufnahmen zu haben. Zuweilen waren wir einen halben Tag im Gelände unterwegs, wo wir keinen Vogel unmittelbar zu Gesicht bekamen, dafür jedoch oft vom Landschaftsbild und dem Begleitwuchs überwältigt stehen blieben und die sich bietenden Eindrücke einfach nur genossen. Die meisten standorttreuen Vögel nahmen wir im Deltagebiet wahr. Eine Besonderheit stellten hierbei botanisch und zoologisch endemische Arten in terrestrischen und aquatischen Zonen dar.
Jeder Tag war gespickt mit kleineren oder größeren Höhe-punkte. Am Anreisetag sahen wir in Zama den größten und zugleich vom Volk der Burjaten verehrten Kaiseradler. Allerdings gelang nur einem meiner Wegbegleiter eine gelungene Aufnahme mit seiner eigenen Kamera (150 - 600 mm Brennweite und Sigma-Objektiv).
In der Rückschau kann ich sagen, dass wir eine bunt gemischte Truppe waren, jeder mit unterschiedlichen Präferenzen und Interessengebieten. Da es bereits zu dieser Jahreszeit sehr viele Pilze gab, sammelte ich zum Beispiel viele unterschiedliche Exemplare und bestimmt sie mit meiner Literatur gleich vor Ort oder im Nachgang. Die Ergebnisse liegen inzwischen auch der Universität in Irkutsk vor.
Überaus interessant waren die geschichtlichen und geografischen Kommentare der Dozentin Oxana. So erfuhren wir von ihr Wissenswertes über die heiligen Stätten und Brauchtümer der Burjaten. Burjaten eine der vielen in Russland lebenden ethnischen Gruppen stammen von den Mongolen ab, lebten einst als nomadisches Volk, sprechen eine eigene Sprache und leben heute größtenteils nicht mehr in Jurten, sondern in Holzhäusern. Ihre ursprüngliche schamanische Religion, ausgehend vom langzeitlichen Tengrismus (Glaube), wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts maßgeblich vom Buddhismus beeinflusst, was wiederum zu einem angewandten sibirischen Scharmanismus mit buddhistischen Vorstellungen führte.
Bedingt durch das Mittelalter, sind die einsamen Landesteile, Siedlungen und Städte bis heute auch durch religiöse mittel- und osteuropäische Bauwerke, insbesondere solche der Russisch-Orthodoxen Kirche, geprägt. Gängiges Fortbewegungsmittel ist auch nicht mehr das Pferd, sondern hauptsächlich Fahrzeuge des Herstellers Uljanowski Awtomobilny Sawod (UAS) und Jeeps der Marken BMW, Toyota oder Volvo. Trotzdem besitzen einige Ortsansässige nach wie vor elegante und kräftig aussehende Pferdeherden. Die verschiedenen Fellfarben wie schwarz, braun, grau, seidenglänzendes silberblau, weiß und natürlich gescheckt habe ich zuvor noch nie gesehen.
In der zweiten Phase unserer Exkursion wechselten wir das Zeltlager. Einen ganzen Tag fuhren wir Richtung Süden nach Bolschoje Goloustnoje. Der Ort liegt am Westufer des Baikal, rund 130 km von Irkutsk entfernt. An den letzten vier Tagen regnete es fast durchgängig. An einem dieser verregneten Vormittage sahen wir im näheren Umkreis etwa 14 Schwarzmilane, 25 Falken, verschiedene Weihen und noch einige andere Greifvögel.
Zum Abschluss meines Kurzberichtes möchte ich jedem jungen Menschen, der ein gewisses Maß an Selbstdisziplin, Offenheit und Wachsamkeit mitbringt, eine Reise in das größte Land der Erde empfehlen. Durch die Anwesenheit zweier Dolmetscher gab es kaum Verständigungsprobleme. Das organisierte Programm durch die Dozenten, inklusive der Verpflegung durch russische Studenten, war einwandfrei. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so gut gegessen. Die Lebensmittel, die man auf Märkten und bei ansässigen Bauern erwerben konnte, sind dabei nicht mit unseren Waren zu vergleichen.
Die finanziellen Mittel (Stipendium) wurden durch den „Deutschen Akademischen Austauschdienst e. V.“ (DAAD) zeitnah bereitgestellt. Darüber hinaus kann ich im Hinblick auf notwendige Visen und Transitvisen nur empfehlen, diese beim zuständigen Konsulat verbunden mit einer persönlichen Vorsprache zu beantragen, da sich der notwendige Verwaltungsablauf somit wesentlich verkürzen lässt.
Zu guter Letzt noch eine Anmerkung zur Anpassung und Konfrontation mit eurasischen Bakterien und sanitären Vorrichtungen. Jemand, der bisher noch nie den asiatischen Raum bereiste, sieht sich scheinbar lokalen Herausforderungen gegenübergestellt. So wurde uns mitgeteilt, dass die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass schätzungsweise 60% der deutschen Studenten im Verlauf einer Exkursion dem einen oder anderen Magen-Darm-Problem erliegen. Dies konnten wir rückblickend jedoch nicht bestätigen. Einzig und allein die Rückfahrt per Zug mitsamt der vielen Zwischenstopps an Bahnhöfen ließen mich schwach werden, da ich trotz Vorwarnung bei einigen Großmütterchen das eine oder andere Essen erwarb, nach dessen Verzehr ich jedoch etwas zu leiden hatte. Eine Abklärung durch den Arzt lieferte glücklicherweise ein negatives Ergebnis.
Da sich mir während der Reise eine unüberschaubare Fülle von Eindrücken bot, habe ich selber sehr viele Fotos gemacht. Diese möchte ich Interessierten gerne vorführen und kommentieren.